Nitrolack

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

Moderatoren: jpick, RB, Gitarrenspieler

Benutzeravatar
Orange
Beiträge: 6055
Registriert: So Dez 12, 2010 5:56 pm
Wohnort: Linz
Kontaktdaten:

Nitrolack

Beitrag von Orange »

Mahlzeit liebe Leut´,

Nitrolack höre ich ja schon regelmäßig in Verbindung mit Gitarren allerdings lese ich auch immer wieder das Nitrolack anscheinend sehr empfindlich ist
(Chemische Reaktionen, ... wie gerade in dem Thread "Lackveränderung" geschrieben).

Wieso wird Nitrolack überhaupt verwendet, denn eine Gitarre ist ja ein Instrument das man im Prinzip immer "von oben bis unten" angreift.

- Welche Hersteller verwenden Nitrolacke ?
- Warum ?
- Vorteile ?
- Hat meine Gitarre vielleicht auch Nitrolack (Finish: Natural High Gloss - also vermutlich nicht) ?
- Was ist genau zu beachten bei Nitrolack ?
- Pflege ?
- Lagerung ?
- Fühlt sich Nitrolack genau so an wie "High Gloss" oder ist das offenporig ?

Wieder mal einen schönen Dank schon vorab ! :)
Benutzeravatar
Paeida
Beiträge: 613
Registriert: Mo Jun 20, 2011 7:48 pm
Wohnort: Weinheim
Kontaktdaten:

Beitrag von Paeida »

Soweit ich weiß, hat das folgende Vorteile:

Nitrolack verschließt die Poren nicht, das Holz kann atmen und wohl auch besser schwingen.
Die Optik sieht natürlicher aus.

Cole Clark und Maton verkaufen z.B den Großteil ihrer Instrumente mit diesem Finnish.
Benutzeravatar
RB
Beiträge: 20400
Registriert: Di Feb 08, 2005 11:18 pm
Wohnort: Wetzlar
Kontaktdaten:

Beitrag von RB »

Nitrolack verschließt die Poren aber sowas von dicht. Nitrolack ist einfach das ältere und althergebrachte System, das dem Schellack und den alkoholgelösten Lacken folgte und im Vergleich zu denen als stabil, unempfindlich, resonanzfreudig und gleichzeitig leicht zu reparieren gilt. Letzteres deshalb, weil man eine ausgehärtete Nitrolack-Oberfläche anlösen und so Löcher, Schrammen und dergleichen rückstandslos mit neuem und nur patiellem Lackauftrag beseitigen kann. Nitrolack verwendet: C.F. Martin. Warum ? Sie behaupten, das sei wegen des Klangs, aber ich vermute eher, daß sie schlicht die Produktionsumstellung auf andere Verfahren noch nicht durchgeführt haben. Vielleicht fürchten sie auch Übersprungsreaktionen der leicht zur Hysterie neigenden Kundschadft, die jede Veränderung mit Argusaugen beobachtet und in einschlägigen Foren bis zur Bewußtlosigkeit beschreit.

Gefolgt wurde die Lackierung in technischer Hinsicht und auf den Instrumentenbau bezogen von den Polyuretan-Lacken, ich glaube, daß das zwei-Komponenten-Systeme sind, die vor allem von den billigen PacRim-Herstellern seit den 70er Jahren verwendet wurden. Man baute eine Martin D-18 nach, komplett aus Sperrholz versteht sich, und versah sie mit einer 2 bis 15 cm dicken Schicht aus PU-Lack. Die Gitarren dürfen in Asien aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur ganz leise sein :mrgreen:

Seit einigen Jahren verwenden Hersteller hochwertiger Instrumente Kunst-Lacke, die mit UV-Licht ausgehärtet werden. Die Lackierung erfolgt recht traditionell: Lack, schleifen, lackieren, schleifen, lackieren, schleifen etc bis hin zum Polieren. Der Unterschied zum Nitrolack besteht in der Herstellung darin, daß Trocknungszeiten nahezu vollständig wegfallen. Es ist also möglich eine mehrschichtige Lackkierung in einigen Stunden aufzubringen. Technisch sollen diese Systeme sehr gut musikinstrumententauglich sein, also Vibration zulassen. Sie sind sehr zäh, nicht löslich, auch nicht durch Säuren oder Laugen und sozusagen unkaputtbar. Ein Nachteil besteht darin, daß die Reparatur kleinerer Schäden aufwendiger ist, weil eine Anlösung bestehender Schichten zwecks Verbindung mit neuem Lack nicht möglich ist. Hersteller, die soetwas verwenden: Taylor, Larrivee, Lakewood.
mbern
Beiträge: 1327
Registriert: Mo Nov 01, 2010 10:24 am

Beitrag von mbern »

Übrigens sollte man Nitro und Nitro nicht über einen Kamm scheren.
Ich habe zwei Gitarren mit solch einer Lackierung und die eine darf man eigentlich nicht anfassen, die andere ist gegen Anfassen genauso unempfindlich wie Lakewood.
Benutzeravatar
bookwood
Beiträge: 3528
Registriert: Mo Okt 18, 2010 4:49 pm

Re: Nitrolack

Beitrag von bookwood »

Kaindee hat geschrieben:...lese ich auch immer wieder das Nitrolack anscheinend sehr empfindlich ist
(Chemische Reaktionen, ... wie gerade in dem Thread "Lackveränderung" geschrieben).
Vielleicht sollte man mal beleuchten, was denn „sehr empfindlich“
eigentlich bedeutet. Im genannten Thread geht es wohl gar nicht
um eine chemische Reaktion, sondern um eine rein mechanische
Beanspruchung. Matter Lack wird eben da glänzend wo regelmäßig
mehr oder weniger bewegter Kontakt herrscht. Bei Frank war es der
Gitarrenständer (kenne ich auch so), und sehr oft ist es z.B. die
Hand am matt lackierten Hals oder der Finger auf der Decke.

Die oft zitierten Risiken chemischer Reaktionen habe ich bisher bei
meinen Klampfen selbst über lange Jahre hinweg noch nicht festgestellt.
Ich weiß zwar im Einzelfall nicht genau, mit was die lackiert sind, aber
die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass auch Nitro dabei ist.

Edit: Uupss...gerade gelesen, dass es bei der Lackveränderung doch
wohl um mehr als Mechanik geht.


2. Edit: Da fällt mir gerade wieder ein: Gitarrenständer und Nitrolack
Gruß
von
Ralf
Benutzeravatar
Gitarrenspieler
Beiträge: 9046
Registriert: Mi Feb 25, 2009 7:46 am
Wohnort: North German Lowland

Beitrag von Gitarrenspieler »

Meine Gibson J-45 und meine Martin sind beide mit Nitrolack beschichtet. Bei der Guild bin ich mir nicht sicher, die ist eher unempfindlich. Die Gibson ist sehr empfindlich oder man sieht es deutlicher weil sie anteilig schwarz ist. Am oberen Korpusrand z.B. wo der Arm der Spielhand (ich bin der T-Shirt und Polohemdenspielertyp) aufliegt. Der Lack wird sicher auch irgendwann Risse bekommen so wie die hier aus den 1940ern
http://www.youtube.com/watch?v=ReEVSF3C ... re=related
Bild
Gruß Wolfgang Hemd aus der Hose macht noch keinen Varoufakis
https://www.taaken.net
Benutzeravatar
Fidelio
Beiträge: 1269
Registriert: Mo Sep 17, 2007 5:14 pm

Beitrag von Fidelio »

Paeida hat geschrieben:Soweit ich weiß, hat das folgende Vorteile:

Nitrolack verschließt die Poren nicht, das Holz kann atmen und wohl auch besser schwingen.
Die Optik sieht natürlicher aus.

Cole Clark und Maton verkaufen z.B den Großteil ihrer Instrumente mit diesem Finnish.
Ich glaube mit dieser Behauptung liegst du komplett daneben.

Meine Santa Cruz D, die ich immer am Sonntag 5 Min. lang spiele, hat Nitrolack und einige Haarrisse-die aber nicht immer vorhanden sind.

Fidelio
Zuletzt geändert von Fidelio am Fr Nov 04, 2011 7:57 pm, insgesamt 1-mal geändert.
notenwart
Beiträge: 4295
Registriert: Di Dez 18, 2007 12:33 pm

Re: Nitrolack

Beitrag von notenwart »

Kaindee hat geschrieben: - Welche Hersteller verwenden Nitrolacke ?
Zum Beispiel "unser" Martin Wieland.
Nitrolack ist empfindlich gegenüber den Weichmachern, die in diversen Kunststoffen sind. Weichmacher sind Ester, das Lösungsmittel der Nitrolacke ist auch ein Ester (anorganische Chemie Klasse acht)
Die Wechselwirkung, die beide eingehen, bewirkt oft eine Mattierung im Lack (aufgrund der Brownschen Molekularbewegung wird die Ordnung der Teilchen zur Unordnung (Stichwort Enthropie), was dazu führt, dass das Licht diffus reflektiert wird), die durch Polieren oder ähnliches nicht mehr rückgängig zu machen ist. :-)

Die Vorteile eines Nitrolackes gegenüber UV-Lacken kann ich persönlich nicht beurteilen
Saitensprung

Beitrag von Saitensprung »

Seagull und soviel ich weiß auch alle anderen Godin-Marken haben ein Nitrolack-Finish.

Meine Seagull ist übrigens nicht empfindlich. Die Lackierung weist noch nicht ein Mikroschrämmchen auf, ganz im Gegensatz zum hauchdünnen (Acryl-)Lack der Ovation. Da sieht man schon die Spuren meines Gitarrenspiels. Nun gut, der Lack ist schwarz, aber trotzdem. Selbst gegens Licht gehalten seh ich bei der Seagull nichts.
Der BNitrolack ist so dünn, dass man die Maserung der Fichtendecke beim überfahren mit dem Finger leicht wahrnimmt. Optisch sieht man die Maserung auch dreidimensional. Der Hochglanz ist ein anderer, wie bei einer Hochglanzlackierung eines anderen Lackes. Sieht irgendwie natürlicher aus.
Was ich über Nitrolack weiß: Ist eben hauchdünn (und dennoch schützend) und lässt daher die Decke besser schwingen, als eine, die in eine Aspikschicht aus Lack eingegossen wurde.
Warum einige Hersteller Nitrolack verwenden - mag sein, dass Martin nicht umstellen wollten, aber ich vermute, dass es auch viel von Tradition, Nostalgie und dem hat, was eben alte handgefertigte Produkte so beliebt macht. Ich werf mal den Namen "Manufactum" ("es gibt sie noch, die guten Dinge!) in den Raum.
Andere Gründe wie ein leichteres Ausbessern von Schäden oder das Aufpolieren von kleinen Kratzern wurde bestimmt schon genannt.

Da es nicht einen 08/15-Nitrolack gibt, sondern nahezu jeder Gitarrenbauer seine eigene Mischung besitzt, sind eindeutige Aussagen zur Verträglichkeit selbst mit Weichmacherfreien Schaumstoffen an Gitarrenständern für die Hersteller dieser nicht zu machen. Versuche können sie mit den Produkten der großen namhaften Hersteller durchführen, aber eben nicht mit allen Gitarren dieser Welt. Daher garantieren sie nichts.
Ich habe mir einen Hercules-Gitarrenständer gekauft und sie schreiben, dass es noch keine Schäden an Nitro lackierten Gitarren gab.
Hier nachzulesen!)
Mein Gitarrenhändler meinte übrigens das gleiche zu Ständern von K&M (ohne Weichmacher!) Ich habe auch einen K&M hier stehen, aber die Seagull steht jetzt seit ich sie habe im Hercules Ständer (und liegt an 2 Punkten mit dem Boden auf dem Schaumstoff. Ich schaue jeden Tag nach, so dass ich mögliche Veränderungen schon im Anfangsstadium bemerke - und es gibt nichts festzustellen, das auf eine Beschädigung des Lackes hindeutet.
Jetzt gibt es bestimmt wieder Aufschreie und Wenn und Aber - doch das kann ja jeder für sich halten wie er es will. Mir war es das Experiment wert, zumal Seagull-Gitarren jetzt keine Seltenheit sind und Hercules auch keine Firma, der die Kundenzufriedenheit egal ist.

Es wird also viel Bohei um Nitrolack betrieben, womöglich ähnlich wie um Tusq und Knochen, einteilige und mehrteilige Hälse, offene und geschlossene Mechaniken, Schwalbenschwanz und Schraubhälse usw.
Wie sich der feine Nitrolack gegen den dünnen - tja, Kunstharzlack (?) meiner anderen Gitarre schlägt, wird die Zeit zeigen. Ich mag sie beide.
Ich glaube, das "Aging" wie auf McLellans Gibson tritt wohl eher bei der Seagull mal ein. Wäre ja dann etwas für dich , Kaindee. :wink:

Ach ja, ich empfinde eine Nitrolackierung irgendwie als etwas, dass meine Gitarre zusätzlich aufwertet.
Benutzeravatar
Orange
Beiträge: 6055
Registriert: So Dez 12, 2010 5:56 pm
Wohnort: Linz
Kontaktdaten:

Beitrag von Orange »

Saitensprung hat geschrieben: Ich glaube, das "Aging" wie auf McLellans Gibson tritt wohl eher bei der Seagull mal ein. Wäre ja dann etwas für dich , Kaindee. :wink:
Tja, im Prinzip schon da anscheinend der Nitrolack schneller mein heißgeliebtes "Aging" sichtbar macht.

Aber Seagull, na ich weiß nicht. Ich habe mal einen S. im Geschäft getestet ... Bespielbarkeit und Klang doch ganz in Ordnung (hätte so um die € 1.000,-- gekostet), aber die Kopfplatte ... die Kopfplatte ... nein, ich weiß nicht ... die Kopfplatte ... :(

Also hat meine Breedlove vermutlich keinen Nitrolack ? Habe im WWW nix finden können.

Macht aber auch nix, ich liebe die Gitarre trotzdem weil sie einfach wie für mich geschaffen ist (hmmm, vielleicht IST sie sogar für mich geschaffen ? :P ). :wink:

Zum Thema: Recht herzlichen Dank für die Info´s, jetzt habe ich mein Gitarrenwissen wieder erweitern können, sehr interessant.
Waren doch für mich vor ~ 3 Jahren noch "Gitarren einfach Gitarren, und der Unterschied bestand lediglich in Westerngitarren oder Konzertgitarren".
Saitensprung

Beitrag von Saitensprung »

Kaindee - das bezog sich auf Nitrolack-Gitarren allgemein, nicht auf meine Seagull.
Benutzeravatar
Orange
Beiträge: 6055
Registriert: So Dez 12, 2010 5:56 pm
Wohnort: Linz
Kontaktdaten:

Beitrag von Orange »

Saitensprung hat geschrieben:Kaindee - das bezog sich auf Nitrolack-Gitarren allgemein, nicht auf meine Seagull.
Aha, ja, auf jeden Fall, aber ich werde auch so meine Gitarre in den gewünschten Zustand bringen. :D

Ich "arbeite" dran, aber nur spieltechnisch natürlich, kommt alles von alleine.
Benutzeravatar
Pappenheim
Beiträge: 9431
Registriert: Mi Feb 24, 2010 7:26 pm
Wohnort: Gaweinstal, Niederösterreich
Kontaktdaten:

Beitrag von Pappenheim »

Ich wusste anfänglich nicht, wie empfindlich Nitrolack tatsächlich ist. Auf meiner schwarzen Gibson hatte ich an der Stelle, wo der innere Unterarm auf der Decke aufliegt, schon sehr bald eine matte Stelle, eine Aufweichung sozusagen. Seitdem spiele ich nur noch langärmelig oder ziehe mir eine alte Socke über den Ellbogen. Die Stelle krieg ich wahrscheinlich nie mehr raus, man sieht sie aber nur, wenn man die Gitarre ins Gegenlicht hält. Fühlen kann ich das aber immer, und das taugt mir überhaupt nicht. :?

Dann kam die Martin, und ich hab gleich von Anfang an drauf geachtet, dass die Decke nicht mit Haut auf Dauer in Berührung kommt. Dann hab ich sie meinem Kollegen geborgt, ich Depp, der leider ein starker Schwitzer ist, und jetzt hat sie auch einen Fleck. Von nur einer halbe Stunde spielen!

Es mag ja sein, dass Nitrolack jener ist, der die Schwingungen der Decke am wenigsten negativ beeinflusst, aber es ist auch der empfindlichste Shice, den es gibt. :?
Saitensprung

Beitrag von Saitensprung »

Nun Pappenheimer, du gehörst halt zu der Sorte Gitarrist, die ihre Gitarren möglichst optisch neuwertig ihren Enkeln vermachen will. Nicht, dass ich das jetzt schlecht machen will - ich schwanke da selbst hin und her, ob meine Gitarren in 20 Jahren noch ein Glanzbild abgeben sollten oder ob mir Abnutzungserscheinungen gefallen.
Leider gehöre ich realistisch betrachtet eher zu der Sorte, die es eh immer schafft, einen geliebten Gegenstand vorzeitig zu beschädigen. Ich bin halt ein großer Verehrer von Laurel und Hardy und in dieser Hinsicht eifre ich meinen Idolen wirklich nach. Wenn man sich damit abgefunden hat, weiß man, dass man es nie schaffen wird, was andere können.
Ich pflege meine Gitarren auch, benutzte ein weiches Tuch nach jedem Spiel und achte jetzt auch auf die Berührungspunkte zum Gitarrenständer. Aber dass ich jetzt den Hautkontakt mit meiner Gitarre vermeide, weil der Lack Schaden nehmen könnte, will ich nicht. Selbst wenn sie 5000 Euro kosten würde. Aber gut - ist eine Seagull für 740,- und keine Aura fürs vierfache. Ich finde nur, dass man sich wegen des Nitrolackes nicht verrückt machen sollte.
Benutzeravatar
Orange
Beiträge: 6055
Registriert: So Dez 12, 2010 5:56 pm
Wohnort: Linz
Kontaktdaten:

Beitrag von Orange »

Pappenheim hat geschrieben: 1) Auf meiner schwarzen Gibson ... oder ziehe mir eine alte Socke über den Ellbogen ...

2) Dann kam die Martin ... sie meinem Kollegen geborgt, ich Depp, der leider ein starker Schwitzer ist, und jetzt hat sie auch einen Fleck ...
Zu 1) Igitt, und ich habe sie kurzärmlig gespielt ! :shock:

Zu 2) Igitt, und ich habe sie kurzärmlig gespielt ! :shock:

:D :wink:
Antworten