Zur Ergonomie des Gitarrespiels (Bögershausen)
Verfasst: Mo Jun 10, 2013 4:18 pm
Im Bögershausen-Newsletter Juni 2013 fand ich diesen Text. Habe mich oft berufsbedingt mit verschiedenen Funktionsstörungen des Bewegungsapparates beschäftigt und finde den Text äußerst spannend; ich zitiere Ulli, mit seiner freundlichen Genehmigung:
An dieser Stelle nun einige Erkenntnisse und Erfahrungen, die ich während meiner Kur und in der Zeit danach gesammelt habe. Es liegt mir fern, den Therapeuten zu spielen; vielmehr möchte ich den einen oder anderen Denkanstoß liefern und vielleicht eine kleine Diskussion anregen. Gern gebe ich Anregungen im nächsten Newsletter weiter. Wer etwas beitragen möchte, vermerke bitte, obich zitieren darf.
Noch eine Vorbemerkung: Ich möchte an dieser Stelle keine Ängste schüren. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass 30-60 Minuten Spiel pro Tag in schlechter Haltung größere Schäden nach sich ziehen. Ich habe mir mein Impingement-Syndrom bei einer CD-Produktion eingehandelt, in der ich 5-6 Stunden pro Tag gespielt habe und das 10 Tage lang. In den Spielpausen habe ich auch noch die Aufnahmen am Computer editiert.
Wer von euch aber wirklich viel spielt, sollte einige Dinge beachten.
In der Sitzposition ist mir bisher folgender Fehler unterlaufen. Ich habe die Gitarre mittels einer Stütze auf dem rechten Bein gehalten. Dabei hielt ich die Gitarre in nahezu waagerechter Position. Das bewirkte gleich 2 Fehler: Erstens drückte die Höhe der Zarge meine rechte Schulter höher als die linke; zweitens (habe ich vom Prof. für Musikermedizin Seidel in Weimar gelernt) legte ich den rechten Oberarm unter vollem Gewicht auf der Zarge ab. Das hatte zur Folge, dass das gesamte Gewicht des Unterarms am Bizeps, schlimmer noch, an seiner Sehne (Ansatz an der Schulter) zog.
Der rechte Arm sollte beim Spielen frei beweglich aus dem Schultergürtel geführt und gehalten werden.
Das funktioniert nur, wenn der Hals der Gitarre nach oben zeigt (in etwa im 45° Winkel).
Nun werden manche sagen, dass die Klassikgitarristen das schon lange erkannt haben und das Fußbänkchen schon immer am besten war. Das ist jedoch nach Prof. Seidel ganz schlecht, da das Bänkchen eine Drehung im Hüftbereich verursacht. Stattdessen sollten möglichst beide Beine fest auf dem Boden stehen.
Ich experimentiere zur Zeit mit verschiedenen Gitarrestützen ( “Ergoplay Modell Tröster” und “NeckUp”) besonders letztere erscheint mit sehr hilfreich, da sich das Leder in alle Richtungen mitbewegen lässt.
Spiele ich im Stehen, sind die Probleme der rechten Seite gelöst. Der rechte Arm lässt sich frei bewegen, die Schultern sind auf einer Ebene. Leider taucht hier ein anderes Problem auf. Das ganze Gewicht der Gitarre hängt auf einem Punkt auf der linken Schulter. Meine typische Reaktion (wie vermutlich auch bei vielen anderen) ist es, mit Kopf und Schultern nach unten und vorne nachzugeben. Hierdurch wird die Halswirbelsäule komprimiert, was Verspannungen und Kopfschmerzen zur Folge hat.