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"Billig-Gitarren" bei eBay

Verfasst: Mo Jul 17, 2006 9:25 pm
von ding
Hallo,

Jeder kennt sie, einige haben sie auch als 2. Instrument oder einfach nur so. Die günstigen (E-)Gitarren bei eBay.

In diesem Thread will ich nicht über die Qualität der Gitarren diskutieren sondern einfach über den Preis.

Ich habe jetzt schon viele gut gemachte No-Name Gitarren bei eBay gesehen wie Tele-, Strat- und Les Paul-Kopien für weit weniger als 100 Euro (Sogar <50€). Mir geht es darum: Ich finde, dass man ein Instrument einfach nicht für solche Mini-Preise verscherbeln sollte als wäre es ein Restposten beim Ausverkauf in einem Supermarkt.
Dank H-Bone's Lackierungstipps habe ich endlich mit der Planung meines Strat-Style Body angefangen und muss sagen, es ist einfach nicht gerechtfertigt solch eine Arbeit für die Preise zu belohnen. Wenn ich sehe was ich für Probleme mit den Plänen habe, Materialbeschaffung, Hardware wie Mechaniken, Tonabnehmer, usw, usw. Von Sachen wie ein Binding ums Griffbrett bei nem selbst gemachten Hals träume ich Nachts und ob ich die "Honey"-Lackierung, die ich geplant habe, jemals hinbekomme ist auch fraglich. Jetzt finde ich bei eBay eine Gitarre für um die 120 Euro die hat das einfach alles...
Klar ich kann sagen ich habe meine Gitarre selber gebaut und sie sieht 100% genau so aus wie ich es will + sie ist ein Unikat, aber trotzdem ist es einfach komisch, da irgendwie die Herausforderung fehlt - Wenn es andere für 100 Euro (vielleicht sogar besser) hinbekommen als ich in stundenlanger Arbeit dann weiß ich auch nicht. Bauen will ich meine auf jeden Fall.

Aber was denkt ihr zu dem Thema?

Gruß Andi.

Verfasst: Di Jul 18, 2006 12:14 am
von JazzieJames
Massenproduktion und Kostenminimierung sind die Stichwörter...

Verfasst: Di Jul 18, 2006 6:13 am
von H-bone
Hi Andi, schön dass du angefangen hast :wink:

Meine Meinung: Da die Chinesen in ihren Kinderknästen ja mittlerweile ALLES kopieren dürfte eigentlich kein Mensch in der westlichen Welt und anderswo noch irgend etwas Sinnvolles beginnen. Zum Glück gibt's noch Enthusiasmus und Neugier - und den Wunsch seine Fähigkeiten und Grenzen zu testen.

Mmmh, ob sich der Bau einer (einzigen) Gitarre lohnt ? Für dich persönlich bestimmt, es ist einfach ein geniales Gefühl auf einer selbstgebauten Klampfe zu spielen und das angeeignete Wissen und Können ist unbezahlbar... ob es sich finanziell lohnt ? Nee, bei der ersten nicht ! Aber bei der wird es mit Sicherheit nicht bleiben... :twisted:

Keep on building,

Martin

Verfasst: Di Jul 18, 2006 7:15 am
von Saitenheimer
Da haben wir doch schon zwei Stichworte (...wörter?):
China und Massenware. Es geht ja anfangs auch gar nicht darum, eine äußerlich perfekte Gitarre zu bauen. Gerade bei den Akustischen ist der Weg das Ziel. Klanghölzer abklopfen, "seinen" Sound zu finden, Hintergründe und Zusammenhänge begreifen, Detailarbeit optimieren, u.s.w. Ich weiß das zwar auch nur aus zweiter Hand, aber es leuchtet mir absolut ein.
Was die fernöstliche Massenware angeht, leg ich lieber etwas mehr Geld auf den Tisch. Ich bin mir dann wenigstens sicher, dass da jemand gearbeitet hat, der nicht nur einen kleinen Abschnitte der Fertigung versteht. Außerdem hab ich bei einheimischen Gitarrenbauern einen direkten und sachkundigen Ansprechpartner, aber das Thema hatten wir ja schon.

Stefan

Verfasst: Di Jul 18, 2006 8:07 am
von hobbit
Hallo!

Da werden ja neben Menschen (unwuerdige Unterkunft und Arbeitsbedingungen) auch Resourcen ohne jede Hemmung erschoepft.
Ich habe einen Bericht ueber Umweltverschmutzung in China gesehen. Die hinterlassen Mondlanschaften dagegen sind unsere Ubertageabbaugebiete reine Erholungsoasen!
Irgendwann kommt es dann zum Umweltgau und dann sind auf einmal alle Hilfen von aussen Willkommen und von Noeten. Dann wird die eigentliche Rechnung aufgemacht und irgendjemand wird sie bezahlen muessen.

Verfasst: Di Jul 18, 2006 11:34 am
von Holger Hendel
Es sind ja schon einige Stichworte zum Thema gefallen, ich füge noch "Marktwirtschaftssystem" hinzu --> mit diesem Zauberbegriff kann man mMn so gut wie jedes Problem auf der Welt ursächlich erklären.

Ich kann niemandem einen Vorwurf machen (höchstens moralisch), wenn er den Spielraum, den das herrschende Marktwirtschaftssystem bietet, bis zur Grenze ausschöpft.

Ich jedenfalls (in Deutschland natürlich schon immer Kind des Kapitalismus gewesen) denke, dass man ebensolche Klampfen wohl für noch weniger Asche bei Ebay raushauen könnte...es ist nur eine Frage der Zeit... :twisted:

...und man sieht: für den Endverbraucher ist der Kapitalismus doch eine feine Sache; eine relativ brauchbare Gitarre für relativ wenig Geld, toll! ...oder? :?

Verfasst: Di Jul 18, 2006 11:53 am
von H-bone
Ohne jetzt den Thread hijacken zu wollen und eine Menschenrechtsdiskussion zu starten, die es sicher wert wäre... :evil:

aber: das Ganze hat letztendlich auch was Gutes: Viele, viele würden heutzutage ohne die Ebay-China-Billigklampfen überhaupt nicht anfangen zu spielen, und das Schreckgespenst China hiess in den 70ern, in denen ein Grossteil von uns angefangen hat, Japan. Wir fast alle haben damals auf 'ner Japan-Klampfe angefangen, später dann was besseres gekauft oder sogar ein Gitärrsche bauen lassen. Wäre aber am Anfang nicht drin gewesen... :?

Im Endeffekt treiben die Billichheimer den Gitarrenbauern doch die Kunden in die Arme, ist nur eine Frage der Zeit. Im neuen AG bietet auch jemend eine schreckliche Weissenborn an für schrecklich wenig Geld, erst hab' ich auch geflucht, aber dann eben nachgedacht. Wenn jeder dritte, der sich so ein Folterinstrument für 295 Euronen zulegt, später, wenn er Spass dran gefunden hat, eine bei mir bestellt... eigentlich kein Grund zum fluchen. Viele von uns haben mit was Billigem begonnen und später bei Stoll, Cuntz, Seeliger und Konsorten sich ihren Traum bestellt.

Gruss, H-bone

Re: "Billig-Gitarren" bei eBay

Verfasst: Di Jul 18, 2006 12:06 pm
von berndwe
Hallo zusammen,

ich habe beruflich relativ viel mit dem Thema "Billigware aus Ostasien zu tun". Speziell in China arbeiten sehr viele Menschen jeden Tag eifrig daran, gerade meinen Arbeitsplatz in Deutschland überflüssig zu machen.

Aus meiner Erfahrung darf man da nicht alles über einen Kamm scheren. Es gibt in Ostasien absolute Billigheimer, die sich um Qualität, Umweltschutz und soziale Standards einen Dreck scheren, solange es billig genung ist. Es gibt aber auch Firmen, die im Rahmen des vorgegebenen Budgets, vernünftige Produkte produzieren. Wenn Ostasiaten etwas gut können, dann ist es, aus dem was zur Verfügung steht, das optimale zu machen. Auch bei Umweltschutz und sozialen Standards gibt es gewaltige Unterschiede.

Wenn ein chinesischer Fabrikant z.B. für die Serienfertigung einer Gitarre ein zwar knappes aber vernünftiges Budget bekommt, dann wird er damit vernünftige Gitarren bauen.

Um zum Vergleich "Chinagitarre versus Eigenbau/Sonderanfertigung" zurückzukommen. Man baut sich ja nicht eine Gitarre, um damit Billgproduzenten im Preis zu unterbieten. Eigenbau bietet Dir die Möglichkeit, alles auf Deinen persönlichen abzustimmen, dafür isses halt teurer. Das kann man nicht mit Billig-Serienproduktion vergleichen.

Ich selbst gehöre nicht zu denjenigen, die sich maßgeschneidertes Equipment leisten können. Mein Equipment kommt zu 90% aus Japan, Korea oder China und ist was die Qualität betrifft absolut ok.

Viele Grüße
Bernd

Verfasst: Di Jul 18, 2006 12:35 pm
von ding
Das Problem in Asien ist, dass alles ultra-industriell gemacht wird. Wobei der Preis einer Gitarre (aus Massenproduktion) generell natürlich günstiger ist wie früher. Schonmal wegen neuen Fertigungstechniken wie CNC usw.

Ich selbst habe auch eine Epiphone (Aus Korea) und eine Squier (Aus China) und bin mit der Qualität absolut zufrieden. (Obwohl die beiden eigendlich auch nicht mehr zu Noname-Billigprodukten gehören) Sie haben den Vorteil dass ich mir mit kleinem Geldbeutel auch ein wirklich gutes Les Paul Model kaufen kann ohne auf das extrem teure Original zurück zu greifen. Ich bin aber trotzdem sehr gespannt wie ich meine eigene Gitarre hinbekomme. Es ist natürlich schon was anderes wie ein Produkt von der Stange.

Mit dem Fortschritt der Konstruktion halte ich euch auf jeden Fall auf dem Laufenden.

Verfasst: Di Jul 18, 2006 1:52 pm
von SouthernOffroader
wir haben ja gestern schon darüber gesprochen ding, wenn man für die 40 euro strat zwei neue saitensätze kauft hat man bald 50 % vom gitarrenwert selbst :?

klar es ist gut dass es ( einsteiger ) gitarren für " wenig " geld gibt, aber wenn bald angebote kommen wie " kaufe zwei strat's und du bekommst noch eine telecaster gratis dazu " dann fühlt es sich für mich so an als würde die seele der gitarre in der lieblosen massenproduktion ersaufen.

Verfasst: Di Jul 18, 2006 3:23 pm
von guitar-hero
Moin,

ich bin ja bekannterweise auch kein Freund von Billigheimer & Co.

Bei manchen Angeboten, -selbst meines örtlichen Händlers- wie:

"E-Gitarre mit Gurt, Kabel, Gig-Bag und
15 Watt Übungsverstärker (o. Abb.)
Komplettpreis: EUR 120,00"

sträuben sich wirklich meine letzten Nackenhaare.

Doch - ich hab das nach langer Überwindung ausprobiert und ...
...Kerlinnekiste! Damit kannste sogar Musik machen.
(Wie lange, weiss ich natürlich nicht.)

Nixdestotrotz und alledem:
Über die jeweiligen Rahmenbedingungen bei Produktion etc. müssen wir uns wirklich nicht unterhalten!
Es sollte uns allerdings endlich einmal die Augen öffnen, dass sich international die Märkte geöffnet haben.

Und ... wie schon gesagt ...

... wenn jemand durch solche Angebote erst einmal "Blut geleckt hat", kommt er irnxwann zum RICHTIGEN Instrument. :whistler:

Verfasst: Di Jul 18, 2006 5:47 pm
von H-bone
ding hat geschrieben:Mit dem Fortschritt der Konstruktion halte ich euch auf jeden Fall auf dem Laufenden.
Jou, Andi, tu das mal... ich bin schon gespannt !! :P

Verfasst: Di Jul 18, 2006 9:09 pm
von Provinzclown
Ich finde diese Instrumente aus China nicht alle schlecht, im Vergleich zu dem Sperrholzklump der hier in den 70ern und 80ern als Gitarren verkauft wurde und worauf viele Arme Leute lernen mussten ; - natürlich gibts auch noch absoluten Schrott aber soweit ich das beurteilen kann sind viele von diesen Chinateilen für ca nen 100er vom Klang und der Verarbeitung gar nicht mal so schlecht. Da ist oft gar kein so großer Unterschied zwischen ner alten Yamaha, ner Korea Fender oder so ner Chinaklampfe.

Spielbar sind sie, und warum sollte sich jemand der erst spielen lernt immer gleich nen 1000er auf den Tisch legen, am Ende hat er lauter Equipment rumliegen und spielen kann er immer noch nicht. Was bringt es schon wenn er eine gute Gitarre verkratzt und "vergewaltigt"?
wenn jemand durch solche Angebote erst einmal "Blut geleckt hat", kommt er irnxwann zum RICHTIGEN Instrument.
Das denke ich auch...

Verfasst: Mi Jul 19, 2006 8:14 am
von Saitenheimer
Provinzclown hat geschrieben:Ich finde diese Instrumente aus China nicht alle schlecht, im Vergleich zu dem Sperrholzklump der hier in den 70ern und 80ern als Gitarren verkauft wurde und worauf viele Arme Leute lernen mussten ;
Das war doch bei mir genauso. Meine "Erste" war eine Japanerin, die mittlerweilen nur noch in der Ecke steht. Ich kann´s auch verstehen, wenn man bei einer Aria AF-60N feuchte Augen bekommt.
Heutzutage würde ich das trotzdem anders machen und lieber auf eine Gelegenheit warten. Es gibt z.B. immer wieder mal B-Ware, gebrauchte oder reparierte Instrumente aus deutschen Landen, mit denen das Lernen sicherlich viel Spaß macht und die man sich auch leisten kann.
Auf der anderen Seite... es ist schon ein erhebendes Gefühl, wenn man einen Koffer aufmacht und sein funkelnagelneues Instrument in die Hand nehmen kann.

Stefan