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Frage zu einer Höfner Archtop / Jazzgitarre

Verfasst: Fr Jan 16, 2015 8:55 pm
von Orange
Mahlzeit,

eine Freundin von mir hat eine Gitarre geschenkt bekommen und spielt aber nicht Gitarre.

Deswegen will sie die Gute (vielleicht) verkaufen wenn es sich rentiert oder als Deko an die Wand hängen.

Da sie weiß dass ich eine Gitarre so halbwegs gerade halten kann, habe ich mir die Gitarre mal von ihr geholt.
Jetzt liegt das Teil vor mir und da ich absolut keine Ahnung von Archtop / Jazzgitarren habe dachte ich,
ich frage mal hier nach. Da gibt´s sicher wen der sich damit auskennt ... nehme ich mal an.


Ich habe sie mal begutachtet und würde folgende laienhafte Diagnose stellen:

- Alt
- Saitenlage könnte etwas niedriger sein, ist jetzt aber nicht aus der Welt. Vielleicht haben Archtops ja eine höhere Saitenlage als "normale Westerngitarren" ?
- Hals gerade
- Griffbrett trocken wie die Wüste Gobi
- Bünde soweit in Ordnung aber mit Grünspan überzogen (wie geschrieben: alt)
- Saiten: absolut tot ! Welche Saiten kann ich da testweise aufspannen ? Normale 12-er die ich daheim habe ?
- Einige Dings und Dongs
- Größtes Manko ist meines Erachtens nach ein Riss am Halsfuß, ob sich der beim Spielen weiter ausbreiten kann ... keine Ahnung
- Das vermeintliche "Gigbag" ist ein alter grauer Sack in Gitarrenform

Also sie lässt sich bespielen, klingt aber halt absolut leblos und tot, mit neuen Saiten
könnte man da schon ein wenig die Sonne aufgehen lassen glaub ich.

Es gibt im Inneren kein sichtbares Label mit der Bezeichnung also habe ich mal "Google" angeworfen.

Ich habe da so ein - oder so ein ähnliches - Modell gefunden und die nennt sich: Höfner 4550 Cutaway !?

Wenn ich die Fotos mit der Gitarre vergleiche ... ja ... könnte sein ... sieht sehr ähnlich bis genau so aus.

Also liebe Archtop-Spezialisten:

1) Wie heißt dieses Modell
2) Was kann man da noch dafür verlangen

?


Sie sieht ja schon irgendwie toll aus, achja, das Ende vom Griffbrett schwebt über der Decke.

Hier mal meine Fotos ... müsst ihr ein bisserl scrollen !

Danke im voraus
Orange

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Verfasst: Fr Jan 16, 2015 9:35 pm
von guitar-hero
Verkaufen lohnt nicht.
Wegen des Halsrisses würde ich den Preis auf etwa 250,- € schätzen.

Putzen, neue Saiten drauf (eventuell Thomastik Flatwound) und
als Deko benutzen.

:guitar1:

Werner.

Verfasst: Fr Jan 16, 2015 10:40 pm
von bookwood
N‘Abend Orange,

ja, das könnte eine 4550 sein. Miss mal die Korpusbreite am Unterbug. Wenn das
43,5 cm, also 17“ sind, wäre das ein Indiz. Die vergleichbare 456 hatte wohl nur 16“.
Nach den Beschreibungen, die ich kenne, dürfte das Teil aus allseits laminiertem
Ahorn bestehen. Trotzdem ist das kein Instrument unterster Kategorie sondern
eher so die Mittelklasse im Höfner-Programm von Mitte 1950er bis Anfang 1960er
Jahre gewesen.

Um den Klang zu beurteilen, braucht es natürlich neue Saiten. Aber Archtops haben
grundsätzlich einen ganz eigenen Charakter, den man mögen muss, besonders wenn
jazztypische Flatwounds aufgezogen werden. Manche nennen das dumpf und muffig.
Die Gitarren mit den gesperrten (dickeren) Decken sind da auch noch zusätzlich
beschränkt. Trotzdem können das wunderbare Teile für den entsprechenden Musikstil
sein. Floating Pickup drauf, an einen Jazzamp geklemmt, macht mir die Kombination
aus akustischem Ton und leichter Verstärkung oft großen Spaß.

Archtops haben meist eine sehr niedrige Saitenlage, werden dabei gerne mit dickeren
Seilen (12er oder mehr) bespannt. Wenn die Saitenlage also relativ hoch ist und über
den Verstellsteg nicht mehr optimiert werden kann, muss man bei den alten Dingern
genau nach dem Halswinkel schauen und überprüfen, ob die Decke nicht eingefallen ist.
Die Risse am Halsfuß könnten auch am Problem beteiligt sein. Wenn die einigermaßen
stabil erscheinen, könnte man die Gitarre mit wenig Aufwand komfortabler bespielbar
machen, indem man vom oberen und/oder unteren Stegteil etwas Material wegnimmt.
Vorausgesetzt da ist genug Masse. Oder man besorgt sich gleich einen passenden
(Deckenwölbung beachten) neuen Aufsatzsteg. Den gibt es schon ab ca. 20 Talers.

Von einem Verkauf würde ich mir auch nicht viel versprechen. Höhere Preise gehen
nur bei den wirklich beliebten/gesuchten hochwertigen Sammlermodellen. Von den
schlichteren Varianten dümpeln immer einige trotz überschaubarer Preise in langen
Verkaufsschleifen.

Verfasst: Sa Jan 17, 2015 6:40 am
von Niels Cremer
bookwood hat geschrieben:Von einem Verkauf würde ich mir auch nicht viel versprechen. Höhere Preise gehen
nur bei den wirklich beliebten/gesuchten hochwertigen Sammlermodellen. Von den
schlichteren Varianten dümpeln immer einige trotz überschaubarer Preise in langen
Verkaufsschleifen.

Was du schreibst stimmt auf jeden Fall, man sollte aber nicht ausser Acht lassen, dass dieses Exemplar augenscheinlich (bis auf die aufgeschraubte Metall-Aufhängung auf der Rückseite des headstock) im Originalzustand zu sein scheint, viele der "herumdümpelnden" Exemplare sind das nicht mehr und sind - vielleicht - deshalb nicht interessant? LG, Niels

Verfasst: Sa Jan 17, 2015 10:10 am
von martinst
Mein Gitarrenlehrer (Karl Walter, Reutlingen) hatte so eine, ca 1965. Damals eine Kostbarkeit. Er hatte keine Flatwounds, sondern geschätzte 013er nickel roundwounds drauf. Solo war der Klang hässlich, aber wenn er sie in seinem Quintett per Anschraub-Pickup über einen Echolette BS-40 spielte, war der Klang super und durchsetzungsstark.
Allerdings war die Saitenlage excellent.

Im Originalzustand, etwas geputzt könnte mancher Sammler seine Freude damit haben. Wenn du mal in Ebay etwas recherchierst, wirst du sehen was manche alten Hölzer für Preise erzielen. Wahrscheinlich durch alte Knaben wie mich, die in den 60ern ihre erste "Beat Band" hatten und mit solchen Geräten begonnen haben. Das waren Marken wie Hopf, Framus, Klira, Höfner etc.

Verfasst: Sa Jan 17, 2015 3:15 pm
von Gitarrenspieler
... schönens Teil. So eine such ich auch noch immer! Der Aufkleber auf der Kopfplatte scheint auch noch original zu sein. Selten das man solche Modelle noch im original Zustand findet. Vitage made in Germany.

Verfasst: Sa Jan 17, 2015 3:52 pm
von bookwood
Mit dem Originalzustand als Argument für Sammler habt ihr sicher recht. Aber ich habe Zweifel,
ob es den Sammlermarkt für alte deutsche Vintage-Gitarren wirklich gibt. Ich besaß schon einige
alten Framen (das muss der Plural von Framus sein, gell), die ich nur über sehr niedrige Preise
wieder abstoßen konnte. Und wenn man so ein Teil tatsächlich zum Spielen haben möchte,
gehen Funktion, Stabilität und Spielkomfort meist vor Originalität. Weil das so ist, hat mir ein
Gitarrenbauer aufgrund seiner Erfahrungen eher davon abgeraten, für solch eine alte Gitarre
mit erkennbarem Reparaturbedarf mehr als ein Taschengeld auszugeben.

Andererseits scheint es die Rosinen bei diesen gebrauchten Archtops zu geben. Hört euch allein
an, was unser Mit-Foristi Michael Behm für 'ne coole Mucke u.a. mit einer alten Hoyer macht,
die ihm zufällig unter die Finger kam.

Verfasst: Sa Jan 17, 2015 4:53 pm
von guitar-hero
Gitarrenspieler hat geschrieben:... schönens Teil. So eine such ich auch noch immer! Der Aufkleber auf der Kopfplatte scheint auch noch original zu sein. Selten das man solche Modelle noch im original Zustand findet. Vitage made in Germany.
Was hält Dich dann noch ab?

Mach dem Orange ein Angebot und ...
... wir können den Faden verknoten. :whistler:


:wink:

Verfasst: Sa Jan 17, 2015 8:11 pm
von Orange
Also mal vielen lieben Dank für euren Input.

Ich denke schon dass da irgendwie alles original ist, größtes Problem ist allerdings der Riss am Halsfuß.
Den sieht man nicht nur sondern den spürt man auch, da ist eine kleine "Stufe" drinnen im Holz. :(

Leider, sonst ... ja sogar das Geschäft wo sie anscheinend mal gekauft wurde (hier Mitten in Linz)
ist noch am Aufkleber auf der Kopfplatte zu sehen. Ich war heute zufällig auf der Spittelwiese,
da komme ich eh öfter mal durch, aber das Geschäft gibt es schon lange nicht mehr.

Angeblich hat sie damals in österreichischen Schilling 15.000,-- gekostet, da wäre wir also so bei ~ 2000,-- DM .

Naja, ich werde ihr mal vorschlagen die Gitarre vielleicht doch einem Fachmann zu zeigen,
nicht dass ihr am Schluss wertmäßig doch noch was entgeht. Aber ich denke mal dass der
zukünftige Besitzer einiges selbst "auffrischen" kann und den Rest evtl. ein Fachmann.
Übrigens habe ich jetzt auch noch gesehen dass das Griffbrett in den oberen Bünden schon
auch ein paar Furchen und Kerben hat, da hätte sich wohl mal wer die Fingernägel schneiden sollen.
Aber die Spielspuren sind absolut authentisch ... also die Gitarre schon viel Musik gemacht, da bin ich mir sicher.

Ich werde berichten ob sie verkaufen will und was sie haben will, dann gebe ich das hier bekannt, oder ich kauf sie !? :wink:

Also recht herzlichen Dank, falls noch wem was einfällt, gerne ! :)

@orange..

Verfasst: Sa Jan 17, 2015 8:40 pm
von tbrenner
Interessantes Teil , sogar mit zeitgerechtem Softcase... :wink:

Die Preisangabe/-vermutung halte ich allerdings für ziemlich forsch. Als ich so mit ca. 13 Jahren begann, mir die Nase am Schaufenster des örtlichen Musikgeschäfts "Summ" plattzudrücken, hatte der seinerzeit die gesamte Höfner-Palette an Elektrogitarren da. Das ging für die Spitzenmodelle damals bis zu Preislagen von ca. 750 Deutschmarks (anfangs der 70 er Jahre auch noch ein Heidengeld - ca. der Monatlohn eines Arbeiters).

Die meisten dieser Höfners haben das Aufkommen von Fender, Gibson + co., sowie der Jap. Marken dann nicht solange überlebt. Man muß ehrlich sagen, daß da schon sehr viel Sperrholz, Plastikperlmutt und obskure Tonabnehmer am Start waren und die wenigsten Teile sich richtig gut spielten oder aber "amtlich"klangen.
Vermutlich mehr aus Nostalgiegründen bildete sich in den letzten 10-15 Jahren jedoch eine gewisse Sammlerszene um diese dt. "Schlaggitarren" der 50 - 70-er Jahre. Soviel mein Senf dazu.... :roll:
Will heißen: etwas Arbeit - aber nicht allzuviel Geld würde ich in so ein Teil reinstecken.

Grüssle,

tbrenner :wink:

Verfasst: Sa Jan 17, 2015 11:36 pm
von bookwood
Die beiden 4550er auf der von principal verlinkten Seite sind gute Beispiele für meinen "Senf".
Offenbar in ganz gutem Zustand (besonders die nicht gecutete) und für gar nicht sooo viele Talers
angeboten, stehen sie aber doch schon ziemlich lange vergeblich zum Verkauf. Mindestens seit
ich diese Seite kenne und das sind bald 2 Jahre.

Verfasst: So Jan 18, 2015 6:33 am
von Orange
Also was meint ihr ?

250 - 300 Teuronen mal vorschlagen als Verkaufspreis wegen dem Halsriss
und den paar "Wartungsarbeiten / Polierarbeiten" ? :o

@orange..

Verfasst: So Jan 18, 2015 2:19 pm
von tbrenner
Ich würde für sowas max. 150 -200 € ausgeben, die sind sicher weniger selten + besonders sammlergesucht, als man so denkt... :roll:

Grüssle,

tbrenner :wink:

Verfasst: Mo Jan 19, 2015 2:56 pm
von docsteve
Ich spiele eine ähnliche Höfner Archtop (ohne Cut; genau, die in meinem Profilbild) und liebe sie heiß und innig. Thomastik Swing in 012 oder 011-Stärke drauf, und fertig ist der Vintage Jazz Sound. Das Instrument ist nicht besonders laut, aber erstaunlich durchsetzungsfähig, ich hab da schon unverstärkt einen Kneipengig gespielt. Sie will aber mit einem dicken Pick bearbeitet werden, mit den Fingern kommt nur wenig Klang raus.

Sie hat damals beim Händler 300 € gekostet, was ich völlig im Rahmen fand. Die Bespielbarkeit hat gewonnen, nachdem ich ein wenig am Steg gespielt habe, und unter das Griffbrett ein Holzplättchen gelegt habe, damit der Saitenzug den Hals nicht so nach vorne biegt. Da diese Gitarre sogar einen Stahlstab hat, ist das aber vielleicht gar nicht nötig.

Den Halsriss würde ich nicht überbewerten, wenn er sauber geleimt ist. Schon mal 'ne gebrochene Kopfplatte gesehen? Die hält auch wieder, wenn sie ordnungsgemäß repariert wurde.

Fazit: Zu schade, um sie an die Wand zu hängen! Mach neue Saiten drauf und spiele sie, was das Zeug hält!

Viele Grüße, Stephan

Verfasst: Mo Jan 19, 2015 4:35 pm
von Fayol
docsteve hat geschrieben: ....
Fazit: Zu schade, um sie an die Wand zu hängen! Mach neue Saiten drauf und spiele sie, was das Zeug hält!

Viele Grüße, Stephan
:gute: