Bestimmte Gitarrentypen für bestimmte Musikstile?

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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tele
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Bestimmte Gitarrentypen für bestimmte Musikstile?

Beitrag von tele »

Ein weitverbreiteter Mythos besagt ja, dass man für Blaues Gras eine Martin Dreadnaught (am besten mit Decke aus Adirondackfichte) benötigt, für Fingergezupftes eine Stahlsaitengitarre kleineren Wuchses, für spanische Kastagnetten-Begleitmusik eine Flamenca (am besten aus Zypresse), für Jazzclubtaugliches eine Archtop, für Schwermetall ein fliegendes V, u.sw.
Meiner Erfahrung nach wird die Eignung bestimmter Gitarrentypen für bestimmte Spielstile aber überbewertet.
Ein fähiger Musiker wird mit dem gerade verfügbaren Werkzeug seine Klangvorstellungen realisieren können.
Beispiel? Joscho Stephan entlockt seiner Selmer-Style-Gitarre bei einem Auftritt in Nashville Rockabilly-und Chicken-Picking-Licks, die die örtliche Studiomafia nicht authentischer aus ihren telegenen Gitarren zaubern dürfte..https://www.youtube.com/watch?v=ght2IRRG0pA
wernoohm
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Beitrag von wernoohm »

So isses!!! Aber die Welt ist eben voller Menschen, die glauben, mit einem Wurstmesser könne man kein Fleisch schneiden.
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Gitarrenmacher
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Re: Bestimmte Gitarrentypen für bestimmte Musikstile?

Beitrag von Gitarrenmacher »

tele hat geschrieben:Ein weitverbreiteter Mythos besagt ja, dass man für Blaues Gras eine Martin Dreadnaught (am besten mit Decke aus Adirondackfichte) benötigt, für Fingergezupftes eine Stahlsaitengitarre kleineren Wuchses, für spanische Kastagnetten-Begleitmusik eine Flamenca (am besten aus Zypresse), für Jazzclubtaugliches eine Archtop, für Schwermetall ein fliegendes V, u.sw.
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Hanjo

Beitrag von Hanjo »

Wie jetzt? Schwachsinn der Mythos oder Teles Statement. Gerade von einem Gtarrenbauer, würde ich gerne das Statement verstehen.
Ist ein interessantes Thema.
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Holger Hendel
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Beitrag von Holger Hendel »

Schlimm sind immer die Schüler die es wagen, hier ohne gescheite Gitarre anzutreten (um dann "Alle Vöglein sind schon da" in A-Dur darauf zu zupfen). Die schicke ich kurzum wieder heim, mitm Elternzettel: "Bis nächste Woche kaufen: 1x Martin HD-28E Retro inkl. original ABS-Koffer.".

Nicht jedes Kind weiß mittlerweile, dass man gescheiten, gesellschaftskritischen speed metal nur auf Superstrats (am besten ESP ltd MH-1000 deluxe natürlich) gespielt bekommt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich das herumgesprochen hat.

Ernst beiseite, seit damals ein Kumpel eine Gitarre via ebay erstanden hatte und diese frisch aus der Kartonage nach fiesem Bootslack roch ist meine Vorgehensweise bei einer Gitarre zu überprüfen, ob sie nach Bootslack oder ähnlichem Lack riecht - falls nein: So schlecht kann sie nicht sein.

Im Übrigen halte ich dieses "Gitarre für best. Musikrichtung" schlichtweg für alberne Tradition; das war schon immer so (weil es nix anderes gab...)...das macht man so (weil die Großen das alle so mach(t)en...). Sicher, aus dieser Denke heraus spricht der EMG-PU (und NUR der EMG-PU, und zwar auch nur der eine...ganz bestimmte) in Kombination mit Shaping XY so an, wie es sich für Metal-Subgenre YZ anhören muss. Ja logisch, der Hals muss durchgehend sein, sonst wird das auch nix. Klar.

Ich habe das schon an anderer Stelle geschrieben (ich glaube, im Zusammenhang mit tronical) - ich kenne fast keine innovationsfeindlichere Clique als Gitarristen (Vgl. Röhre vs Transistor). Fast ein Wunder, dass kaum einer mehr mit der Stimmgabel arbeitet.
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jpick
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Beitrag von jpick »

Es haben sich Musikstile doch auch gerade deshalb als eigene Stile herausgebildet, weil sie eben u. a. ein charakteristisches Klangspektrum aufgrund der Spezifik der verwendeten Instrumente haben und die auch technisch bestimmten Spielweisen entgegen kommen.

... ein "Mythos" ist für mich umgekehrt eher der, dass Gitarristen glauben, sich mit dem Kauf z. B. einer Gipsy-Gitarre (wo wir schon bei Joscho Stephan waren) auch von vornherein diesen Stil zu eigen zu machen bzw. Jazz spielen zu können.


8) 8) 8)
Zuletzt geändert von jpick am Mi Jun 17, 2015 9:05 pm, insgesamt 3-mal geändert.
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RB
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Beitrag von RB »

Die Vielseitigkeit der Dreadnought-Gitarre wird gemeinhin unterschätzt. Wenn aber Bluegrass, dann geht es schlecht ohne sie.
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elmark
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Gitarrentyp

Beitrag von elmark »

Also für Bluegrass Open Air brauchts schon wegen der erforderlichen Lautstärke eine Dreadnought oder Jumbo denke ich....ob von Martin oder Gibson sei dahingestellt....
eine 028 Parlour wird kaum gehört werden (naturlich alles unplugged ohne PA oder Amp)
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Niels Cremer
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Re: Bestimmte Gitarrentypen für bestimmte Musikstile?

Beitrag von Niels Cremer »

tele hat geschrieben:Joscho Stephan entlockt seiner Selmer-Style-Gitarre bei einem Auftritt in Nashville Rockabilly-und Chicken-Picking-Licks, die die örtliche Studiomafia nicht authentischer aus ihren telegenen Gitarren zaubern dürfte..https://www.youtube.com/watch?v=ght2IRRG0pA
Beziehst du dich da auf einen anderen Video? Ich hör & seh da kein Chicken Pickin ... ? :shock:

Ach so, und bzgl. der eigentlichen Frage: ich habe noch nie gehört, dass Dreadnaughts auf Bluegrass reduziert werden; anders herum denke ich wird schon ein Schuh draus: ich habe noch nie gesehen, dass Bluegrass oder andere Folk-artige Musik auf einer Flying-V dargeboten wurde ... :roll: Und auch du würdest sicher nicht auf die Idee kommen, zu einem Flamenco-Konzert eine Dreadnaught mitzunehmen, oder? LG, Niels
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bluesballads
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Beitrag von bluesballads »

Man könnte es natürlich auch ketzerisch so formulieren: selbst hochvirtuose Licks machen aus einer akustischen Gipsynummer noch keinen Rockabilly, wie das Video zeigt.:wink:
Im Ernst: klar kann man auf fast allen Instrumenten fast alles spielen, so spiele ich regelmäßig Bossas oder Rockabillysongs auf Resonatorgitarren, und das macht Spaß und klingt auch teilweise ganz interessant, aber: schöner und authentischer bleiben Bossas weiterhin auf Nylonstrings, so wie der Rockabilly eben mit einem Schuss - oder mehr - Verstärkung, am besten mit Wimmerhaken bestückten Gitarren erst richtig abgeht:
https://www.youtube.com/watch?v=JvXjbsEoKyA
Oder mit etwas mehr "Feuer unterm Hintern":
https://www.youtube.com/watch?v=aIUUkpO8u-8
Oder auch mal mit einer Fender - ab Minute 3.15 geht es hier allerdings erst los:
https://www.youtube.com/watch?v=4MY-Bjg9Ct0
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berndwe
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Beitrag von berndwe »

Was heißt "Eignung"?

Eine Gitarre ist meines Erachtens nicht für einen bestimmten Musikstil besser geeignet. Sie ist - präziser ausgedrückt - besser geeignet bestimmte Erwartungen zu erfüllen.
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Newbie
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Beitrag von Newbie »

Falls ihr einen Konsens findet, könntet ihr bitte eine Empfehlung aussprechen? Ich suche nun seit mehreren Jahren, bin aber von den namhaften Herstellern enttäuscht. Es scheint so, als müsste man immer noch sehr viel üben und etwas Talent mitbringen um bestimmte Stile auch auf dem passenden Modell umzusetzen. Ich hatte erwartet, die Technik wäre da heutzutage weiter. Möglicherweise fehlt mir noch das richtige Zubehör.
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chevere

Beitrag von chevere »

"Die Vielseitigkeit der Dreadnought-Gitarre wird gemeinhin unterschätzt. Wenn aber Bluegrass, dann geht es schlecht ohne sie."

Kurz und kanpp zusammengefaßt auf den Punkt gebracht, RB.
Ein Beispiel für diese Vielseitigkeit des Spielers und dieser
Martin Dread CS 28-12, die eben nicht nur als "Bluegrass- Akkord- Kanone" benutzt wird, finden wir bei Mark Lucas:
Ich finde das wunderbar, wie gefühlvoll er auf dem "Schlachtschiff" etwas ähnliches wie "Eine Allinaz für`s Leben" spielt.
Für mich ist eine OM kostenlos in einer solchen Gitarre enthalten, da man auch diese "süßen Töne"/ Fingerpicking, single notes entlocken kann.
Jazzakkorde spielt er am Ende auch noch.
Auch der Spieler macht´s...
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Gitarrenmacher
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Beitrag von Gitarrenmacher »

Hanjo hat geschrieben:Wie jetzt? Schwachsinn der Mythos oder Teles Statement. Gerade von einem Gtarrenbauer, würde ich gerne das Statement verstehen.
Ist ein interessantes Thema.
ZITAT:
Ein weitverbreiteter Mythos besagt ja, dass man für Blaues Gras eine Martin Dreadnaught (am besten mit Decke aus Adirondackfichte) benötigt..................

Das war die Aussage, auf die ich mich bezog. die Analogien zu weiteren Musikstilen wurden hergestellt.
Mein Kommentar war nicht personenbezogen, das steht mir nicht zu.
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H-bone
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Beitrag von H-bone »

Ich denke mal so:

1, Gitarren haben (wie die meisten Werkzeuge) - auf Grund von Bauart/Grösse/Austattung - unterschiedliche Klangcharakteristiken und Anwendungsmöglichkeiten.

2, Wenn man einen bestimmten Musikstil favorisiert der einem Instrument einen passenden Klang und bestimmte Eigenschaften abverlangt, wird man sich wohl das dafür passende Werkzeug aussuchen.

Klar kriegt man eine Schraube auch mit 'nem Hammer in's Holz und kann mit 'nem Porsche einen Acker pflügen... auch sollen schon Sattelschlepper vor der Disco gesehen worden sein...
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