Nicht nur, damit ich die besondere Ehre habe, den
2000sten Eintrag in der Rubrik Allgemeines zu schreiben, nein, auch weil ich lange über Reinhards Eingangsthread nachdenken mußte, schreibe ich heute und hier meinen kleinen Beitrag.
Ich habe Gitarre nur gelernt, weil mir das Akkordeon versagt blieb. Das hatte mein Bruder schon, "
und zwei solche Dinger können wir uns nicht leisten". Schon gar nicht einen zweiten Privatlehrer, der einmal in der Woche vorbeischaut.
Ich wollte aber unbedingt Musik machen,
"was ja soo nicht schaden kann...", bettelte und erhielt dann zu Weihnachten ein Paddel erster Güte. Eines ähnlich der Dinger, die Bernd so treffend gerade in der Rubrik
Neuling beschrieben hat. Qualität übelster Art, Stahlsaiten wie Stacheldraht... Mit Etui für 50 Mark bei Warnke gekauft.
11 Monate in einer Gruppe von rund 20 ( oder so ) jungen Menschen erhielt ich dann von der "Hohner Musikschule" in einem Kneipenhinterzimmer die ersten Hinweise darauf, was ich auf
keinen Fall spielen wollte. Unser Musiklehrer sah die Gitarre nur als Rythmusunterstützung für seine Akkordeonschüler, die in ebenso starker Formation die Unterrichtsstunde nach uns hatten.
Ich habe dann auch die Gitarre monatelang nicht angefasst.
Dann hörte ich Wader. Die Zeit der Folkies und Liedermacher hatte alle Jugendlichen meines Alters in den Bann gezogen. Man trug Nietenhosen, breite Gürtel und bunte Hemden. Peter, Paul and Mary waren ebenso bekannt, wie Joan B., Dylan, Stevens, Denver, Seeger, Ofarim usw., usw. Ein bunter Mix von Liedern, die sowohl vom Text wie auch vom musikalischen her nicht nur mir "etwas gaben".
Es war die Zeit, als das "Songbook von ???" die Bibel war, als es vollkommen klar war, dass man sich die Haare sehr lang wachsen lassen muss und
Harekrischna-singend am Strand von Goa den Rest seines Lebens verbringt ( natürlich mit ständig wechselnden Partnern - weil: man hatte ja
jetzt und hier leider nur sehr spärliche "Fast-Chancen" und der heimliche Schwarm antwortete auch nicht auf die vom
besten Freund vorgetragene Frage, "...ob sie mit einem gehen wollte" ). Und wenn nicht Goa, naja, dann zumindest in Berlin, weil einen da die Bundeswehr nicht greifen kann. Es war auch die Zeit, als man gerade entdeckt hatte, dass man mit drei Blatt Zigarettenpapier und einer aufgerollten Pappe ein fast identisch zum Film aussehendes Ding herstellen konnte. Und weil ich darin eine gewisse Fertigkeit erlangte, wurde ich gerne dazugeholt, "wenn jemand
Etwas besorgt hatte".
Ich stellte bald fest, dass man als Gitarrist gerade zu dieser Zeit der Folkies, Aussteiger und Liedermacher absolut "in" war und holte den Prügel wieder aus der Ecke. Ich übte "Blowing in the Wind" und die allgemein üblichen Stücke und war bald eine Art "Star".
Fazit: Diese Musikrichtung zeigt neue Horizinte und Möglichkeiten - dann bleibe ich dabei.
Irgendwann spürte ich, dass da noch mehr sein kann, als nur ein paar einfache Akkorde. Ich hörte also Wader, prägte mir den Namen Lämmerhirt und Kottke ein, kaufte eine andere Gitarre ( meine 12-saitige Höfner ). Und dann fing ich an zu Üben. Mein erstes Stück: Freight Train mit Capo im 4.Bund.
Irgendwann spürte ich, dass da noch mehr sein kann, als nur der alte Freight Train. Ich hörte also auf dem alten Plattespieler die geborgten Scheiben und versuchte nachzuspielen. Mit mittlerem bis gehobenem Erfolg. Immerhin hatte ich keine Freundin, ein extrem strenges Elternhaus, keinen Bock auf Schule und nach Goa wollten die anderen nicht mit. Somit hatte ich alle Zeit der Welt. Und man kann sagen, dass mit steigendem Erfolg beim Spielen auch ein gewisser Ergeiz entstand. Das ermöglichte mir dann auch, in Kneipen und in der Fußgängerzone dafür zu Sorgen, das Reisegeld für den Umzug nach Goa zu erspielen. Zumindest den Bierbedarf für den Abend zu deckeln.
Irgendwann ging es auf der Erfolgskurve nicht weiter. Ich blieb auf einer Entwicklungsstufe hängen, spielte also auch "nur" die bekannten Sachen. Und irgendwann kam dann eine Zeit, als andere Dinge wichtiger waren, man "die alten Dinger" nicht hören wollte und neue Lieder nicht so gefragt waren. Ich übte also eher halbherzig, "irgendwo" gehörte Lieder auf der Gitarre umzusetzen. Summertime, Mr. Sandman, um nur mal 2 zu nennen. Mit meiner Freundin Kati ( im Sinne einer Wahlschwester ) spielte ich nebenher noch andere Stücke, wie Donna Donna, Fisherman und dem bereits bekannten "Scotch & Soda". Dann verloren wir uns ein wenig aus den Augen und diese Richtung schlief auch ein.
Mein Gitarrenspiel dümpelte so vor sich hin, ich spielte "irgendwas", aber eher ohne große Ambitionen und nur um zu entspannen und zur Unterstützung, wenn ich irgendwelche tiefgründigen Probleme wälzte. Neues lernte ich jedenfalls nicht so direkt dazu, obwohl ich regelmäßg spielte, auch eine neue Steel kaufte ( eine Takamine F340 oder so... jedenfalls eine Gitarre, die einer Martin verdammt ähnlich war ).
Dann kamen die Kinder. Und wer
das mitgemacht hat, der weiß, dass manchmal 24 Stunden am Tag nicht mehr ausreichen....
Bald merkte ich, dass mir etwas fehlte....
Irgendwann grub ich also die Gitarre wieder aus, kaufte meine EN25 dazu, kaufte eine Konzert beim Gitarrenbauer und lernte einen Gitarristen kennen, der im Stil gut zu mir passte.
Aber noch immer blieb meine Stilrichtung und ich hatte keine Ambitionen, in die Richtung des POP, Pups, Hipp oder sonstwo zu wechseln.
Noch heute spiele ich regelmäßig. Ich gehe oft darin auf. Aber ich bin nicht so ehrgeizig, einen großen Künstler zu covern. Ich kenne einige der "großen" Gitarristen gar nicht ( erst durch dieses Forum habe ich zu ihnen einen ersten Kontakt bekommen ). Ich spiele nur "zum Spass" und eventuell "mal für ein Bier". Ich spiele die alten Sachen, auch wenn ich ( nur kurz ) einmal Country spielen wollte. Ich sehe diese ganze Sache absolut unverbissen. Ich ärgere mich auch nicht, wenn ich mit Gitarristen zusammenkomme, die deutlich mehr in den Fingern haben, als ich. Sicher, ich schau dann mal und versuche etwas nachzuspielen, aber wie gesagt: vollkommen locker, weil ich keinen Zwang dahinter sehe.
Kennt Ihr die chinesische Geschichte vom Schmetterling? ...Hätte ich es damals tatsächlich wahr gemacht und hätte Musik studiert - oder wäre zumindest Musiker geworden - ... wer weiß, wo ich mit meiner Veranlagung und meinem gewissen Talent heute stehen würde. Aber dann wäre ich auf jeden Fall nicht
hier. Ich hätte vermutlich all die schönen Dinge nicht erlebt, hätte heute einen ganz anderen Stil auf der Gitarre, eine andere Familie, einen anderen Beruf...
...und vermutlich hätte ich diesen Artikel nicht geschrieben