Gain / Overdrive

Tonabnehmer, Vorverstärker, Setup, Saitenverschleiß oder sonstwelche technischen Aspekte der Gitarristerei....

Moderator: RB

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Orange
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Gain / Overdrive

Beitrag von Orange »

Mahlzeit,

es wird wieder mal technisch, und dann noch dazu zur Stromgitarre ! 8)

Ich spiele meine Tele zuhause über meinen kleinen Bedroom-Amp namens > Orange Crush Pix 12L < mit dem ich sehr zufrieden bin.
Für den Hausgebrauch ein toller kleiner oranger Amp und Hingucker aber jetzt habe ich mal eine Frage, oder wohl wieder mal mehr.

Mit dem Handling komme ich ja schon klar (für meine Zwecke) aber was macht eigentlich der GAIN-Regler genau ?
Ich meine, lauter - ja - aber ist ja kein Lautstärkeregler, dafür gibt´s ja Volume.
Wie stellt man einen Gain-Regler optimal ein um einem Verstärker die volle Leistung rauszukitzeln ?

Habe jetzt schon gelesen daß der ein "Vorverstärker" oder sowas ähnliches ist, aber was für ein Signal schickt der, und wohin ?

Mich interessiert´s einfach ... :)

Und der OVERDRIVE macht dann die Zerre dazu wenn das gewünscht wird ...

Vielleicht ist das Thema ja auch für den ein oder andern auch interessant der sich die Frage(n) schon mal gestellt hat. :)


Laute Grüße
Orange

Hier noch ein Foto vom Amp:

Bild
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Gitarrenspieler
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Beitrag von Gitarrenspieler »

Einfach erklärt, der Gainregler regelt die Vorverstärkung. Weit aufgedreht übersteuert die Vorverstärkung und verzerrt. Einstellung ist hier wie immer Geschmackssache.
Gruß Wolfgang Hemd aus der Hose macht noch keinen Varoufakis
https://www.taaken.net
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Herigo
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Beitrag von Herigo »

gain passt das eingangssignal an die erste verstärkungstufe des amps an. jeder verstärker (stufe) hat einen arbeitsbereich in dem er optimal arbeitet, d. h. nutzsignal und rauschen in einem günstigen verhältnis stehen, schwache signale noch gut verstärkt werden und dynamische spitzen gerade noch nicht clippen.
das ist bei einem lauten humbucker anders als bei einem schwachen single coil einer tele. beide signale müssen also erstmal ihrer stärke entsprechend angepasst werden.
bei ausgeschaltetem overdrive regelt nun der volume regler wieviel von diesem angepassten signal an die endstufe geht. auch hier gibt es ein maximum nach dem die verzerrung der endstufe oder das clipping anfängt.
bei der einstellung darf also die cleane gitarre bei moderater lautstärke nicht verzerren, jetzt drehst du das volume soweit hoch bis die endstufe ebenfalls gerade noch nicht verzerrt, damit hast du die maximale leistung deines verstärkers ausgereizt. alles was lauter erscheint ist energiemäßig nicht lauter sondern nur ein durch die verzerrung komprimiertes signal. die lautheit wird erhöht nicht jedoch die tatsächliche dynamische lautstärke.
jetzt schaltest du den overdrive dazu. das ist eine in der regel dazwischen geschaltete verstärkungsstufe die übersteuert werden soll.
die stufe interagiert natürlich mit der gainstufe und hier werden auch die meisten fehleinstellungen gemacht, denn natürlich ist die overdrivestufe so ausgelegt, dass sie übersteuern soll. auch ein schwaches gain signal vermag da noch viel verzerrung liefern können. ein zu starkes kann wiederum ein dann eben auch zu stark komprimierendes verzerrungssignal verursachen. das setzt sich kaum durch und hat null dynamik und transparenz. klingt wie eine summende biene wird aber viel zu oft eingestellt, da es scheinbar unendlich sustain hat und viele unsauberkeiten des spiels verdeckt.
gehen wir aber davon aus, dass die grundeinstellung so wie oben beschrieben vorgenommen wurde. so mit drehst du also den overdrive so weit auf bis die gewünschte verzerrung erreicht ist. (edit: es gibt aber auch sehr oft die variante, dass bei weniger aufwendigen schaltungen einfach ein teil der röhre dazugeschaltet wird der vorher inaktiv war und der verzerrungsgrad total abhängig vom gain ist und nicht nochmals variert werden kann. dann regelt dieses poti einfach nur die lautstärke des verzerrten signals. das lustige bei röhren ist nämlich, dass sie je nach verschaltung durchaus zwei verstärkungsstufen haben können. das overdrive poti regelt also im gegensatz zum gain nicht den eingang sondern den ausgang dieser verstärkungsstufe. das wird dann einfach dazu geschaltet.)
so weit so gut - aaaber hier beginnt der wahnsinn der jahrelangen suche nach dem richtigen sound.
doch zunächst zeigt sich mit dieser einstellung der eigene charakter des amps, bzw. der geschmack des ampdesigners. bei einem mesa boogie der mark serie lassen sich unendlich viele geschmackvolle settings einstellen, allerdings ist man am anfang total aufgeschmissen wenn man keine einstellungsbeispiele vorliegen hat. die interaktion zwischen gain, drive und klangregelung (die ja die signalstärke auch beeinflusst) ist so feinfühlig, dass man sich tagelang damit beschäftigen kann, habe ich früher immer einen großen bogen drum rum gemacht, heute steh ich drauf...
nur als beispiel, es kann sein, dass dir der solosound gefällt aber für riffs oder akkorde ist der einfach zu breiig. als erste maßnahme benutzt man den volume regler an der gitarre, der schwächt nämlich das gainsignal nämlich auch ab und verringert dadurch die verzerrung. wenn alles passt hast du damit sogar vier grundsounds...
1. clean mit dem man auch unverzerrte melodien spielen kann aber beim akkordspiel schon leicht clippt.
2. mit leicht zurückgenommenen vol-poti an der gitarre unverzerrtes rhythmusspiel.
3. verrzerrter solosound
4. mit leicht zurückgenommenen vol-poti an der gitarre verzerrtes rhythmusspiel (öfter crunch genannt).

............und jetzt höre ich erstmal auf sonst verwirre ich anstatt zu helfen.

PS. die symbole auf deinem orange sind ganz gut gewählt, z. b. stellt der overdrive eine rechteckschwingung dar. das bedeutet das signal übersteuert soweit, dass die dynamik spitzen oder schon ein teil des durchschnittsignals der gitarre bereits über dem optimalen arbeitspunkt liegen und damit einfach gekappt werden. es ist also eine absichtliche fehleinstellung die den e-gitarrensound so stark geprägt hat.
noch etwas zu der funktionsweise der potis. sie funktionieren wie ein wasserhahn, d.h. sie lassen nur das durch was bereits vorhanden ist. bei 6 bar auf der leitung kommt auch nur maximal 6 bar aus dem hahn, wenn er ganz auf ist...
Zuletzt geändert von Herigo am Fr Jun 07, 2013 8:52 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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Orange
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Beitrag von Orange »

@Herigo: Das druck ich mir aus und klebe es auf die Rückseite vom Verstärker ! :P

Morgen werde ich das nochmal Schritt für Schritt "am lebenden Objekt" (Amp) testen, aber ich glaube es leuchtet mir ein.

SEHR gut erklärt, gut dass du wieder da bist, da habe ich heute zu später Stunde noch viel gelernt,
und jetzt freu ich mich auf morgen wenn ich das nochmal bewusst durchspielen kann.

Noch 2 Fragen:

1) Wie weit sollte ich wenn ich anfange zu spielen mit den Einstellungen den Volume-Poti an der Gitarre aufdrehen.
Du hast ja geschrieben dass damit das Gainsignal abgeschwächt werden kann.
Ich habe den immer ca. 3/4 aufgedreht, da habe ich noch etwas Luft nach oben hin.

2) Clipping: Darüber habe ich jetzt in ein paar HiFi-Foren über die Google-Suche was gefunden,
aber ob man die Antworten auch auf einen Gitarrenverstärker umlegen kann ?
Was kann da passieren bzw. was passiert wenn´s clippt ? Wie hört man das ?

@Gitarrenspieler: Dank gebührt auch dir. :)
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Herigo
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Beitrag von Herigo »

Orange hat geschrieben:Noch 2 Fragen:
zu 1. beim einstellen des gain und beim test der maximalen cleanen leistung würde ich den poti ganz aufdrehen. danach musst du das selbst entscheiden, bzw. ist total abhängig von gitarre poti und pickup und auch ob eine schaltung in der gitarre existiert die verhindert, dass das signal beim runterdrehen des potis zu dumpf wird. wenn das so ist, dumpf oder nicht, hörst du das ... aber lass es erst mal wie es ist ... ich habe gitarren die werden etwas dumpfer andere nicht, es hat beides seinen reiz und vorteile.

zu 2. clipping und verzerrung ist im prinzip fast das gleiche, nur will man clipping eigentlich nicht verzerrung manchmal schon.
es ist aber auch wirklich nur im prinzip das gleiche. da bin ich einfach zu schlecht im erklären um das sinnvoll darzustellen.
clipping kann bei einer transitorverstärkung die speaker und auch die endstufe zerstören. bei einem vollröhrenverstärker passiert das nicht weil die speaker über einen übertrager mit der endstufe verbunden sind.
bei einem transistor einer leistungsendstufe muss man sicherheiten einbauen damit nicht bei einem clipping der transistor durchschlägt und z.b. gleichspannung an die speaker fließt die dann die spule verglühen lassen. aber wie gesagt versuche dich über den suchbegriff "clipping vs verzerrung" schlau zu machen und versuche es nicht nur in foren.

http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cbers ... arbeitung)
dieser link untermauert zumindest meine behauptung, das clippen und verzerrung im prinzip das gleiche ist... wie gesagt im prinzip :wink:
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TorstenW
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Beitrag von TorstenW »

Eine einfache Methode um die Funktion eines Reglers herauszufinden ist übrigens auch: nach links drehen, spielen, hören, nach rechts drehen, spielen, hören ;-)
In den meisten Fällen führt das zu einem Ergebnis :p

Zu deinen Fragen:
1) Es gibt keine Regel. Wenn du vorhast während dem Spielen am Poti lauter zu drehen: dreh es nicht voll auf. Wenn du das nicht vorhast: dreh es voll auf. Wenn dir der Sound bei halb aufgedrehtem Poti besser gefällt: dreh es halb auf. Wenn dir der Sound gar nicht gefällt: dreh es ganz zu.
Du kannst mit dem Volumepoti verschiedene Dinge anstellen, beispielsweise der Verzerrgrad steuern. Je mehr es aufgedreht wird, desto mehr übersteuert die Vorstufe. (Was nebenher auch nicht verboten ist. Manche Verstärker haben z.B. gar kein "Overdrive" Poti, sondern nur Gain, und quasi jegliche Verzerrung kommt daher, dass man die Vorstufe überfährt)

2) Auf gar keinen Fall!! HiFi und E-Gitarrenverstärker haben absolut und überhaupt und ganz und gar noch viel weniger miteinander zu tun.
Wenn es beim Gitarrenverstärker clippt, sprich übersteuert, dann verzerrt das Signal. Das ist gewollt und klingt oft gut. Wenn du einen HiFi Verstärker clippst, sprich übersteuerst, klingt es in den meisten Fällen gräßlich, weil eben auch Gesang und alles andere verzerrt wird, daher will man das dort unbedingt vermeiden.
Zwei völlig unterschiedliche Welten.

EDIT: zu langsam
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Orange
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Beitrag von Orange »

Danke nochmal für eure langen Ausführungen und die Schreibarbeit, hat sich aber gelohnt, mir wurde sehr geholfen. Jeden Tag eine gute Tat. :)
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Orange
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Beitrag von Orange »

Doppelpost ! :oops:

Bei weiterer Recherche zum Thema sowie "Effektgeräte", "Solo lauter als Begleitung", (keine Angst, nicht für diesen
kleinen Amp für Zuhause :wink: ) , etc. ... bin ich auf eine informative Seite gestoßen.
Nennt sich AMPSERVICE.DE ! Da steht jede Menge Informatives drin was ich euch nicht vorenthalten will.

Viel Spaß beim stöbern ... :)
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