Bose T8S ToneMatch Mischpult: Erfahrungsbericht

Tonabnehmer, Vorverstärker, Setup, Saitenverschleiß oder sonstwelche technischen Aspekte der Gitarristerei....

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scifi
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Bose T8S ToneMatch Mischpult: Erfahrungsbericht

Beitrag von scifi »

Bose hat zur letzten NAMM zwei neue digitale Kleinmischpulte herausgebracht, das Bose T4S und das größere Bose T8S. Ich finde die Produktpalette von Bose spannend, da hier leistungsstarke PA-Systeme mit kleinsten Packmaßen möglich sind und die Bedienkonzepte in Richtung "möglichst simpel" gehen. Beides für mich sehr wichtige Punkte, wenn ich meine 2-4 Personen Akustik-Band bei Auftritten mit mögl. wenig Aufwand verstärken möchte. Die Mixer sind Digital-Mixer, jedoch anders als bei den bekannten Geräten von Behringer oder Soundcraft, erfolgt die Steuerung komplett über reale Drehknöpfe und Taster am Gerät. Am ähnlichsten im Layout sind vielleicht noch die TouchMix-Geräte von QSC (wobei diese ein Touch-Screen besitzen). Insgesamt haben die Bose-Geräte eher weniger Funktionen als die bildschirmgesteuerten Digitalmixer, aber dafür deutlich mehr als die herkömmlichen Analogmixer.

Das Bose T8S ToneMatch Mischpult (8 Kanäle) ist bei mir gelandet und hier nun ein kleiner Erfahrungsbericht nach dem ersten Gig mit dem Gerät.
Vielleicht interessiert das ja den einen oder anderen.

Bild

Ich verstärke mit zwei alten Bose L1 Compact "Säulchen" und spare mir meist zusätzliche Monitore. Als Inputs gibt es:
=> 1x Condenser Mic Gesang
=> 1x dyn Mic Gesang
=> 1x dyn. Mic Gesang plus Flöten
=> 1x dyn. Mic Percussion
=> 1x PU Drehleier
=> 1x dyn. Mic Gitarre
=> 1x PU Gitarre

Gemixt wird von der Bühne aus.


Bild

1) Positiv:

=> Packmaße: Gewicht und Größe machen das Gerät super handlich. Ich habe das Teil inkl. Netzteil einfach in eine alte Laptop-Tasche gesteckt und spare mir beim Aus-/Einladen jetzt eine ganze Wegstrecke und 0,25 Bandscheiben (in Gegensatz zu meinem alten Yamaha-Mixer im Flight-Case)

=> Verarbeitung: super, da wackelt nichts und wirkt alles sehr solide (und ist gleichzeitig sehr leicht!). Der magnetisch befestige Deckel "klebt" vielleicht ein wenig zu fest. Stabilität trotz Plastik - das kann Bose richtig gut. Alle Einstellungsregler, Buchsen und auch die Software funktionieren bei mir vorbildlich.

=> Sound: klingt zusammen mit den L1 Compact wirklich transparent, neutral, Bose-typisch vielleicht ein wenig "steril". Alles prima in meinen Ohren. Über einen Master-EQ lässt sich der Gesamtsound noch etwas an die Räumlichkeiten anpassen. Mein alter Yamaha-Mixer klang vielleicht etwas wärmer aber dafür auch "mittiger", was für elektrische Rock-Musik sicher gut ist. Für meine Akustik-Mucke gefällt mir der Sound mit dem Bose-Mixer eindeutig besser - hier hört man direkt was in die Mikros reingeht. Den Umgang damit muss ich natürlich im Detail noch lernen.

=> Effekte: die Effekte sind flexibel aber gleichzeitig pragmatisch ausgelegt für den Bühneneinsatz und funktionieren sehr gut. Alles was man braucht für jeden Kanal einzeln einstellbar und auf die nötigsten Parameter reduziert. Nur der Halltyp wird für alle Kanäle gemeinsam festgelegt, passt aber auch. Wirklich große Klasse! Klar, Einarbeitung ist notwendig - aber der Aufwand sehr überschaubar. Und die Setups sind als Szenen abspeicherbar, so dass ich mir das Setup von diesem Auftritt einfach mal als mögliche Ausgangsbasis für den nächsten Auftritt mitnehme (statt wie bei meinem alten Analogmixer ein Foto zu machen).

=> Bedienung beim Mixing: finde ich sehr gelungen. Per Default hatte ich bei dem Auftritt immer den 3-Band-EQ auf dem Display, so dass ich auf Lautstärke und EQ sofort Zugriff hatte. Gerade unsere Drehleier ist eine echte Zicke, die immer mal wieder nachgeregelt werden muss. Zwischendurch auf z.B. auf den Hall zuzugreifen benötigt einen Dreh am großen Drehregler. Das ist jetzt vielleicht nicht ganz suuuuuuper handlich, weil man dort erst mal die richtige Position finden muss, geht aber sicherlich mit ein wenig Routine gut von der Hand (Regler rastet schön spürbar ein).


2) Unklar:

=> Bedienung allgemein: ich habe mir zwar die Anleitung kurz durchgelesen, aber weitgehend auf meine Intuition vertraut und vor dem Auftritt ein paar Stunden das Gerät erkundet und ausprobiert. Insgesamt kam ich sehr schnell mit gefühlten 75% der Einstellungsoptionen klar. Aber es gibt auch ein paar "Seltsamkeiten", bei denen ich auch jetzt noch raten muss, was das soll. Sicher ist das auch der Funktionsvielfalt geschuldet und ich kenne es von z.B. Multieffektgeräten nicht anders. Trotzdem wirken auf mich manche kleinere Abläufe in der Bedienung nicht ganz geradlinig. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Viel Funktion auf wenig Raum mit echten Schaltern abzubilden ist letztlich gut gelungen.

=> ToneMatch-Presets: Bose bewirbt lautstark seine Tone-Match-Presets, die ein auf bestimmte Input-Geräte wie Mikros, Gitarren, Blasinstrumente etc. abgestimmtes Setup per Knopfdruck erlauben. Ehrlich gesagt ist mir deren Funktionsweise bisher noch nicht ganz klar. Es scheint sich nicht um Emulationen zu handeln sondern um sehr feine EQ-Muster, die zusammen mit Geräte- und Instrumentenherstellern (Taylor z.B.) entwickelt werden. So kann ich z.B. ein Preset für ein Shure SM57 Mikrofon einem Kanal zuordnen, wodurch anscheinend (a) ein EQ-Preset geladen wird (der irgendwie zu dem Mikro "passt") und (b) die Frequenzbänder des manuell einstellbaren 3-Band-EQs des Kanals voreingestellt werden (so dass diese gleich in den für das Live-Mixing relevanten Frequenzbereichen regeln). Das geht sehr schnell und spart viel Hirn anstatt selber herauszutüfteln, wo die relevanten Frequenzbereich liegen könnten.
Nur bin mir noch nicht sicher, wie praxisrelevant das ist. Gerade beim Beispiel Shure SM57 habe ich mich letztlich für das Preset eines anderen Mikros entschieden, weil mir dieses mit diesem Mikro besser zu klingen scheint. Auch beim Pickup-Input der Gitarre bin ich am Ende in einer ganze anderen Preset-Ecke gelandet, als laut Beschreibung naheliegend wäre. Mit dem Konzept muss ich wohl erst noch Erfahrung sammeln. Die Hoffnung auf ein "Preset ein = Welt ist OK" kann ich mir aber in der Praxis abschminken - aber den Anspruch hatte ich auch nicht beim Kauf des Geräts.


3) Negativ:

=> Layout der Kanalzüge: etwas nervig finde ich, dass im Vergleich zu meinem alten Yamaha-Mixer nicht alle Features und Buchsen für einen Kanal auf einer "visuellen Linie" liegen. Das ist sicher den Gehäusemaßen geschuldet - aber beim Aufbau hat mich das mehrfach durcheinander gebracht und ich musste immer wieder die Reihenfolge der Buchsen durchzählen etc. Hier ist die Ergonomie einfach nicht so gut wie bei herkömmlichen Mixern.

=> Ein unabhängiger Lowcut pro Kanal wäre wirklich gut gewesen. Gerade wenn man mit Percussion zusammen spielt, braucht man das doch... Vielleicht gibt es den aber und ich habe ihn nur noch nicht entdeckt.

=> Der Bildschirm: den monochromen Bildschirm hätte es auch schon vor 20 Jahren geben können... Ist OK, funktioniert gut auch bei schlechten Sichtverhältnissen, aber irgendwie würde ich da mehr Innovation/Fortschritt bei einem Premium-Hersteller wie Bose erwarten.

=> Phantomspeisung: Wenn ich die PP einschalte, sollte der Master unten sein, sonst gibt es kurz einen Peak "doofe Geräusche". Das kenne ich so leider von fast allen mir bekannten Interfaces und Mixern. Wieso bekommen das viele Hersteller nicht endlich in den Griff?? Wir haben 2018???

=> Die Software-Updates und der Online-Support: Bose bringt gerade sehr viele Firmware-Updates für den Mixer raus. Das kann man positiv oder negativ sehen. Insgesamt ist der begleitende Online-Support (Doku, Foren, Wiki etc.) aber chaotisch und "hinterher". Ein mageres Bild für so einen image-orientierten Hersteller wie Bose. Aber bisher haben dafür alle Updates anstandslos funktioniert - das gibt es ja auch nicht bei jedem Hersteller.

=> Der Preis für das T8S ist schon heftig hoch für das, was man an konkreten Funktionen bekommt. Zumindest eine zusätzliche Steuerung über WLAN&App wäre für mich heute Pflicht und nicht Kür. Auf der anderen Seite hat man Bose-Qualität in der Hand und vermutlich (hoffentlich) auch einen guten Werterhalt.


4) Fazit:

=> meine Erwartungen sind weitgehend und ausreichend erfüllt: ich wollte einen sehr handlichen Kleinmixer, der deutlich mehr Optionen als die üblichen Analogmixer bietet, aber sehr (!) zuverlässig funktioniert und möglichst einfach zu bedienen ist und das habe ich bekommen. Ich hätten diesen aber auch gerne für etwas weniger Geld bekommen.

=> Im Shootout-Vergleich hatte ich den QSC TouchMix 8 beim session getestet, der ähnlich viel kostet. Der QSC ist hinsichtlich Funktionsumfang irre umfangreich und das Bedienkonzept ist sehr, sehr gut. Nur letztlich hat mich der Funktionsumfang am Ende auch abgeschreckt, weil ich nicht professionell unterwegs bin und bei 10-20 Auftritten pro Jahr mir nicht genug Routine zutraue, um die Vielfalt an Features unter Kontrolle zu bekommen. Noch dazu ist für mich Live-Mixing eine lästige Notwendigkeit, für die ich mir nur das notwendige Minimum "drauf schaffen" möchte. Ich bin mit dem Bose glaube ich gut bedient.
Zuletzt geändert von scifi am Di Mai 08, 2018 9:00 am, insgesamt 12-mal geändert.
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Angorapython
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Re: Erfahrungsbericht: Bose T8S ToneMatch Mischpult

Beitrag von Angorapython »

Danke für den Bericht, so was lese ich immer mit viel Interesse!
FCK-NZS
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fingerstricker
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Re: Bose T8S ToneMatch Mischpult: Erfahrungsbericht

Beitrag von fingerstricker »

Hi, auch von mir eine Portion :bide: für den sehr ausführlichen und informativen Bericht.
Ich kann deine Argumentationskette absolut nachvollziehen. Mir ist mit haptischen Regler irgendwie auch wohler
Gruß
fingerstricker
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berndwe
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Re: Bose T8S ToneMatch Mischpult: Erfahrungsbericht

Beitrag von berndwe »

Danke Scifi für die ausführliche Darstellung. Das war sehr aufschluss- und lehrreich für mich.

Mit Sicherheit eine effektive Sache für eine kleine Band. Dein Bericht bestätigt allerdings meine Hemmungen auf Digitaltechnik umzusteigen. Mein kleiner Analogmixer kann deutlich weniger, aber selbst das beherrsche ich noch nicht in vollem Umfang.
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