- ohne künstliche Nägel und ohne Nagelstudio-Besuche
- ohne nennenswerte Belastungen der Fingernägel
- ohne großen laufenden Geldeinsatz
- mit Beibehaltung der natürlichen Fingersensibilität
- mit einer nahezu frei wählbaren Nagelstärke
- mit recht wenig Arbeitsaufwand
Kurzer geschichtlicher Abriss
Das Problem sich abnutzender oder im Alltagsleben gefährdeter Fingernägel trifft alle mit Fingern spielenden Gitarristen, egal ob auf Nylon oder Steel, egal ob Klassik oder Rock. Und so wurde über Jahrzehnte mit künstlichem Nagelverstärkungen experimentiert, sei es lackgetränkte Zellulose, seien es angeklebte oder aufgesetzte Kunstnägel.
Mir persönlich waren alle diese Lösungen zuwider, entweder weil die Anbringung unverhältnismäßig viel Arbeit und oft auch klebriger Schweinkram war, der die Nägel zudem stark belastete, oder weil ich künstliche Nägel einfach nicht mag, da mir hier einfach der "Körperkontakt" zu den Saiten fehlt.
Eine interessante Lösung fand ich in "The Guitar Book" (erschienen 1985, auch heute noch sehr empfehlenswert) von Altmeister Pierre Bensusan, wo er eine Lösung auf Basis von Haftkleber und Backsoda beschreibt. Aber auch diese Lösung war noch recht mühevoll und auch problematisch, da der Kleber die Nägel angreift. Aber schon hier zeigte Pierre gut, dass es meist reicht, die oberen 30-40% eines Nagels zu verstärken und den Test natürlich zu belassen.
Von Franco Morone habe ich schließlich vor einigen Monaten von einer Lösung auf Basis eines einfach zu habenden Spezialgels erfahren, welches unter UV-Licht aushärtet. Die Geltechnik greift die Nägel so gut wie gar nicht an, das Material lässt sich bei Bedarf gut entfernen und beeinflusst wie der Ansatz von Pierre Bensusan die taktile Sensibilität der Finger nicht, ist für alle Nagelformen geeignet und bewirkt einfach nur, dass die Fingernägel kräftiger werden - und zwar genauso so viel, wie man will...
Technische Voraussetzungen
Ian Melrose schrieb einmal in einem Forumseintrag, dass er seine Kunstnägel bei nail-discount-24.de immer gleich in größeren Mengen sehr günstig kauft. Deshalb war mein erster Ansatz seinerzeit, dort auf der entsprechenden Internetseite nachzuschauen. Als Gitarrist wird man allerdings dort mit aufwendigen Kunstnagel-Lösungen für die Damenwelt erschlagen und sieht schnell den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Auch sind die auf Websites angebotenen UV-Lampen oft nicht billig, weil sie dafür ausgelegt sind, die Nägel einer ganze Hand auf einmal auszuhärten, wogegen man als Gitarrist im laufenden Betrieb meist nur je 1-2 Finger aufzufrischen hat (ich verstärke 4 Finger, aber da die Nagelverstärkungen, je nach Belastung, unterschiedlich lange halten, sind meist nur 1-2 Finger gleichzeitig betroffen).
Deshalb beschloss ich, einfach einmal bei Nail-Discount anzurufen und hatte eine sehr informatives Gespräche mit dem Inhaber Herrn Göldner. Dieser ist zwar skeptisch, ob Gel allein reicht und empfiehlt Kunstnägel, wie sie auch Ian Melrose einsetzt. Der Material-Grundbedarf ist aber in beiden Fällen gleich, weswegen man beide Lösungen ausprobieren kann. Der Nail-Discount hat hierzu ein für Gitarristen quasi maßgeschneidertes Basisset, bietet dieses aber nicht auf der eigenen Website an, sondern bei EBAY. Dort gibt man dazu den Suchbegriff "Nagelstudio-Heimset" an (wichtig: auf die Version MIT UV-Gerät achten). Das Set sieht etwa so aus:

Wenn man Glück hat, ersteigert man so ein Set für 25-30 Euro, und das war's dann auch schon. Mehr braucht man für 1-2 Jahre dann nicht mehr. Das Set enthält nur ein kleines UV-Gerät, aber 3 Finger bekommt man dort locker auf einmal behandelt. Von dem gesamten Set braucht man für den reinen Gel-Betrieb zur Verstärkung der Naturnägel nur einige Teile (die Teile für Kunstnägel braucht man nicht).
Materialbedarf zur Naturnagel-Verstärkung

1: Cleaner (Alkohol), zur Säuberung der Nägel
2: Zellulose, zur Säuberung der Nägel und des Pinsels
3: Primer (Haftvermittler), hält das Gel am Nagel
4: 1-Phasen-Gel, härtet in 3 Minuten unter UV-Licht
5: Schleifblock zum Aufrauen der Nägel
6: Pinsel zum Auftragen des Primers und des Gels
7: UV-Lampe zum Härten des Gels
Anleitung
Man benötigt hierfür keinerlei handwerkliche Begabung, nur eine ruhige linke Hand zum Auftragen (sofern man Rechtshänder ist). Das Nagelstudio-Set enthält eine ausführliche Anleitung. Ich gebe hier eine Kurzform der Anleitung mit den Hauptdetails und wichtigen Gitarristen-Tipps. So reicht es beispielsweise aus (wie von Piere Bensusan gezeigt), nicht wie in der Anleitung beschrieben den ganzen Nagel zu verstärken, sondern ich beschränke mich auf die oberen 30-40% des Nagels (je nach Nagellänge), so dass der Kunststoff nur am oberen Teil des Nagels sitzt. Auf diese Weise wird einerseits der untere nachwachsende Teil des Nagels geschont, andererseits lässt sich die Verstärkung leichter bei Bedarf entfernen und erneuern. Wer allerdings einen Beruf hat, der die gesamten Nägel massiv belastet, z.B. unter Chemikalien, sollte wohl doch den ganzen Nagel mit dem Gel überziehen.
1. Hände gründlich waschen. Die Nagelhaut wie in der Anleitung beschrieben zurückzuschieben ist nicht notwendig, wenn man nur die oberen 30-40% den Nagels mit Gel überzieht.
2. Naturnägel sauber in die gewünschte Form feilen. Man kann zwar auch später (mit dem Gel) feilen, aber es ist viel leichter, erst die gewünschte Form zu feilen, und diese dann mit Gel zu verstärken.
3. Mit dem SCHLEIFBLOCK (5) den mit Gel zu überziehenden Teil des Nagels vorsichtig ganz leicht anrauen. Bitte nur ganz wenig, es reicht, wenn der natürliche Glanz verschwindet. Tipp: am besten nur in einer Richtung (von innen nach außen) aufrauen.
4. CLEANER (1) auf Zellulosestück (2) tropfen und Nagel entfetten
5. In der Originalanleitung kommt hier der Punkt, an welchem man für künstliche Nägel die "Nagel-Tips" aufsetzt. Das kann man für eine reine Naturnagelverstärkung mit Gel ignorieren.
6. Ganz wenig PRIMER (3) mit dem Pinsel (6) dort auf die Naturnägel auftragen, wo später das Gel haften soll. Mir reicht es hier aus den genannten Gründen, die oberen 30-40% des Nagels zu überziehen. Dieser Primer ist die einzige unangenehme Substanz, also bitte nur ganz dünn auftragen und nicht an die Haut kommen lassen.
7. Danach den Pinsel (6) gut mit Cleaner (1) und Zellulosestück (2) reinigen, aber unbedingt aufpassen, dass man nicht an die gerade vorbereiteten Fingernägel kommt.
8. Eine ERSTE SCHICHT des 1-PHASEN-GELS auftragen, wo der Naturnagel mit dem Primer vorbereitet wurde. Tipp: diese Schicht dient noch nicht der Dicke, sondern als Verbindungsgrundlage, d.h. hier braucht man nur eine kleine Menge pro Nagel. Besser nicht zulange dabei trödeln oder "rumrühren", denn diese erste Schicht soll gleich an den Primer binden.
9. Die aufgebrachte 1. Gel-Schicht unter der UV-LAMPE für 2 MINUTEN ANHÄRTEN lassen.
WICHTIG: das Gel ist danach an der Oberseite noch leicht klebrig, die ist die so genannte "Schwitzschicht". Diese klebrige Schicht soll genau so sein, also jetzt KEINEN CLEANER auftragen!
10. Eine ZWEITE SCHICHT des 1-PHASEN-GELS (4) mit dem Pinsel (6) auf die erste Schicht auftragen. Tipp: hierbei kann man sich jetzt etwas länger Zeit lassen. Diese zweite Schicht sollte jetzt etwa die erste Hälfte der noch aufzutragenden Nageldicke bekommen. Am Anfang war ich hier etwas zu zögerlich, man sollte gleich eine gute "-" aufsetzen und diese dann gut verteilen.
11. Die aufgebrachte 2. Gel-Schicht unter der UV-LAMPE für 3 MINUTEN AUSHÄRTEN lassen.
12. Diesmal die klebrige Oberfläche (Schwitzschicht) gründlich mit Cleaner (1) und Zellulosestück (2) abwischen, so dass eine saubere Oberfläche entsteht.
13. Eine DRITTE SCHICHT des 1-PHASEN-GELS (4) mit dem Pinsel (6) auf die zweite Schicht auftragen. Tipp: auch hierbei kann man sich etwas länger Zeit lassen. Diese zweite Schicht sollte jetzt etwa die zweite Hälfte der aufzutragenden Nageldicke bekommen
14. Die aufgebrachte 3. Gel-Schicht unter der UV-LAMPE für 3 MINUTEN AUSHÄRTEN lassen.
15. Wieder die klebrige Oberfläche (Schwitzschicht) gründlich mit Cleaner (1) und Zellulosestück (2) abwischen, so dass eine saubere Oberfläche entsteht.
16. Danach den Pinsel (6) gut mit Cleaner (1) und Zellulosestück (2) reinigen.
Das war's, habt Ihr alles richtig gemacht, besitzt Ihr jetzt belastbare Nägel in der gewünschten Stärke. Und falls nicht: beim nächsten Mal klappt es besser. Der Kunststoffüberzug der Nägel ist farblos und sieht sehr angenehm aus. Der Nagel kann danach ganz normal benutzt und beispielsweise gefeilt werden. Man besitzt jetzt einfach einen stärkeren, kräftigeren Nagel.
Verschleiß
Wenn man nur 40-50% des Nagels behandelt, hält der Überzug eine gewisse Zeit (je nach Verschleiß 1-3 Wochen) und fällt dann von allein ab. Das Schöne ist, dass sich dieser Zeitpunkt vorher ankündigt, denn der Kunststoff wird dann matt, wohl weil Luft zwischen Nagel und Kunststoff eindringt. Hier wäre also dann der Zeitpunkt zur Erneuerung. Ist der Kunststoffüberzug bereits matt, reicht es zur Entfernung meist schon, den Nagel etwas zu biegen, oder vorsichtig einen spitzen Gegenstand an einer Stelle unter die Schicht zu schieben. Bitte aber auf keinen Fall rohe Gewalt anwenden, weil dieses den Naturnagel beschädigen könnte! Kommt der Überzug nicht von allein runter, so feilt man ihn vorsichtig von oben ab. Ich hatte diesen Fall aber erst einmal, ansonsten ist das Gel wirklich eine fantastische Erfindung, welche genau die richtigen Ergebnisse bringt, ohne die Naturnägel zu belasten.
Fazit
Nach endlosen Jahrzehnten sind damit endlich alle Nagelprobleme beseitigt. An dieser Stelle Dank an Pierre Bensusan, Franco Morone und Herrn Göldner für die Anregungen. Wichtig: jeder Gel-Anwender dürfte seine eigenen Herangehensweisen, Tipps und Vorlieben haben. Ich habe hier die meinigen beschrieben, aber sicher sind auch andere Ansätze möglich und sinnvoll. Für meine Einsatzzwecke, die eine recht große Bandbreite abdecken, reichend vom eher gepflegten Stahlsaitenspiel auf der Akustikgitarre bis hin zum brutalen Einsatz auf der Stratocaster, bei welchem ich die Nägel übel für den richtigen "Attack" quäle, ist die Geltechnik einfach optimal. Ich konnte endlich das leidige Plektrum auf den Mond schießen, und mit einem ordentlich gelverstärkten Daumen erledigte sich für mich auch der Daumenpick, mit dem ich sowieso nie klar gekommen bin. Mit der richtigen Länge des gelverstärkten Daumennagels habe ich jetzt alle Nuancen, von ganz weich (nur Fleisch) bis ganz hart (nur Nagel) zur Verfügung. Das Gel bringt die totale Spielfreiheit bei direkter Nähe zu den Saiten, denn es spielt ja noch immer der Naturnagel - er wird halt nur auf der Rückseite massiv stabilisiert.