Tap-Tuning (Abstimmen der Decke) - eine Illusion ?
Verfasst: Di Nov 10, 2009 2:31 pm
Mal ein Thema und eine Fragestellung, die sich auch und insbesondere an die Gitarrenbauer richtet:
Beim Herumstöbern im Web bin ich wieder einmal auf der Seite von William R. Cumpiano vorbeigekommen, ein Gitarrenbauer und nebenbei Autor eines der schönsten Bücher, die ich über das Thema "Gitarrenbau" gelesen habe ("Guitarmaking - Tradition and Technology").
Auf seiner Seite befaßt er sich mit der Frage des Abstimmen einer Gitarrendecke während der Bauzeit. Einige Autoren und Gitarrenbauer beschreiben diesen Prozess als das Anschlagen der fertig beleisteten, aber noch nicht eingebauten Decke und das Bearbeiten von Decke und insbesondere den Leisten, bis ein bestimmter Resonanzton beim Anklöpfeln erklingt ("Tap- tuning"). Nachdem Cumpiano selbst diesen Vorgang in dem oben erwähnten Buch noch beschrieben hat, meint er, inzwischen, nach 25 Jahren - habe sein Standpunkt sich geändert. Er halte es gar für eine Illusion, daß ein Abstimmen der im Bau befindlichen Gitarre auf diese Weise überhaupt möglich sei. Im einzelnen:
You heard it here first: "Tap-tuning" has been oversold. Let's put it into perspective.
When I was learning guitarmaking, I went through what you're going through: I had HEARD about something called tap tuning and was mystified and tantalyzed. I presumed that it held THE secret for easily-replicable, world-class results. I actually thought that the alchemy of guitarmaking was somehow locked inside this arcane act of wizardry called "tuning" the top, that it was something that only the select and most sensitive few knew about, and that they weren't going to tell me, so I would somehow have to learn it myself.
Builders, alas, often do things on guitars which they really don't know WHY their doing it, but they do it because they were taught to do what the teacher did, and they're afraid if they stopped doing it, the nice sounds they usually get will go away. So they keep doing it. Then, when you ask them why they do it, they are all too happy to MAKE UP vague, fanciful, jargon-laden accounts which will leave an impression that they know exactly why they're doing it in minute detail, and by implication demonstrate that they can somehow successfully manipulate all these invisible sonic phenomena on the guitar with ease. Luthiers usually won't stop you from believing that they are wizards. This is most painfully obvious in the realm of "tap tones."
Yes, I do "tap" a top to derive some rudimentary information about its anatomy. What you hear does give you some feedback clues which is useful and helpful. The "tuning" part is what is so misleading to beginners. At some point (most often toward the end of the process) many builders attempt to make some final changes in the anatomy of the soundbox, which the builder believes (I've selected this word carefully:) believes, is exercising some control over the final results. Both, skillful experts and deluded fools, equally, scrape here and there, tap, press, reach inside, remove a little on the back braces, on the top braces, and then at some point say THERE. It's just right.
Then there are other builders, masterful experts and deluded fools alike that DON'T. They believe that they're making all the crucial decisions in the INITIAL stages of the construction: materials selection, materials dimensioning, design: that is all they need to achieve the desired results.
Deutsche Übersetzung von Tante R.:
Als ich den Gitarrenbau erlernte, habe ich das durchgemacht, was Ihr durchmacht: Ich HÖRTE von einem Vorgang, der "tap-tuning" genannt wurde und der mystifiziert und breitgetreten wurde. Also nahm ich an, daß dies DAS Geheimnis für einfach zu wiederholende weltklassemäßige Ergebnisse wäre. Ich dachte sogar daß die Alchemie des Gitarrenbaus auf irgendeine Weise in diesem geheimnisvollen Akt der Zauberei enthalten sei, der "Stimmen der Decke" genannt wurde, daß es etwas wäre, von dem nur wenige Auserwählte Kenntnis hätten, die sie einem aber nicht sagen, so daß ich diese Kunst irgendwie auf eigene Faust zu erlernen hätte.
Leider machen allerdings Gitarrenbauer oft Dinge auf eine bestimmte Art und Weise, ohne zu wissen, WARUM sie das tun, einfach weil man es ihnen so beigebracht hat und sie befürchten, der erreichte gute Klang würde sich nicht einstellen, wenn sie etwas anders machen würden. Also bleiben sie dabei. Wenn man sie dann fragt, warum sie etwas auf eine bestimmte Weise tun, sind sie auch noch froh darüber, vage, phantasievolle und mit Fachsprache durchsetzte Aussagen zu treffen, die beim Fragesteller den Eindruck hinterlassen, der Befragte wisse schon genau, warum er etwas auf eine bestimmte Art mache und daß er in der Lage sei, all die unsichtbaren akkustischen Phänomene mit Leichtigkeit zu manipulieren und zu beherrschen. Gitarrenbauer werden Dich nicht daran hindern, sie als Magier anzusehen. Das offenbart sich am peinlichsten beim Thema "Tap-Tuning".
Ja, auch ich klopfe an eine Gitarrendecke, um ein paar rudimentäre Informationen über ihre Anatomie zu gewinnen. Was man beim Anschlagen hört, vermittelt schon einen gewissen Feedback und Ahnung, die hilfreich sind. Das, was für Anfäger so irreführend ist, ist der Teil, bei dem es aber um das "Stimmen" der Decke geht. In einer bestimmten Phase (meist gegen Ende des Gesamtprozesses) versuchen viele Gitarrenbauer, einige abschließende Veränderungen an der Anatomie des Korpus vorzunehmen, von denen der Gitarrenbauer glaubt, sie hätten Einfluß auf das Endergebnis. Beide: Der geschickte Gitarrenbauer und der fehlgeleitete Tropf schaben und kratzen gleichermaßen hie und da, klopfen ein wenig, drücken, langen in den Korpus um an einer Verstrebung des Gitarrenrückens oder vorne etwas abzunehmen, bis sie sagen: Ha, jetzt isses richtich.
Dann gibt es andere erfahrene Gitarrenbauer und fehlgeleitete Tröpfe, die dergleichen NICHT machen. Ich nehme an, daß diese alle bedeutenden Entscheidungen am Anfang des Bauvorgangs treffen: Materialauswahl, Dimensionierung der einzelnen Komponenten, Design. Das ist alles, was sie brauchen, um die angestrebten Ergebnisse zu erreichen.
Ja wie denn nun ? Ich weiß, daß der Cumpiano teilweise ein wenig zur Überheblickeit zu neigen scheint, so klingen jedenfalls teils die Antworten, die er in seinem Forum gibt, aber er ist auch ein echter Künstler, was man spätestens bei Betrachtung seines oben erwähnten Buches zugeben muß, wenn man sich vor Augen hält, daß er beispielsweise sämtliche Zeichnungen darin selbst gefertigt hat.
Beim Herumstöbern im Web bin ich wieder einmal auf der Seite von William R. Cumpiano vorbeigekommen, ein Gitarrenbauer und nebenbei Autor eines der schönsten Bücher, die ich über das Thema "Gitarrenbau" gelesen habe ("Guitarmaking - Tradition and Technology").
Auf seiner Seite befaßt er sich mit der Frage des Abstimmen einer Gitarrendecke während der Bauzeit. Einige Autoren und Gitarrenbauer beschreiben diesen Prozess als das Anschlagen der fertig beleisteten, aber noch nicht eingebauten Decke und das Bearbeiten von Decke und insbesondere den Leisten, bis ein bestimmter Resonanzton beim Anklöpfeln erklingt ("Tap- tuning"). Nachdem Cumpiano selbst diesen Vorgang in dem oben erwähnten Buch noch beschrieben hat, meint er, inzwischen, nach 25 Jahren - habe sein Standpunkt sich geändert. Er halte es gar für eine Illusion, daß ein Abstimmen der im Bau befindlichen Gitarre auf diese Weise überhaupt möglich sei. Im einzelnen:
You heard it here first: "Tap-tuning" has been oversold. Let's put it into perspective.
When I was learning guitarmaking, I went through what you're going through: I had HEARD about something called tap tuning and was mystified and tantalyzed. I presumed that it held THE secret for easily-replicable, world-class results. I actually thought that the alchemy of guitarmaking was somehow locked inside this arcane act of wizardry called "tuning" the top, that it was something that only the select and most sensitive few knew about, and that they weren't going to tell me, so I would somehow have to learn it myself.
Builders, alas, often do things on guitars which they really don't know WHY their doing it, but they do it because they were taught to do what the teacher did, and they're afraid if they stopped doing it, the nice sounds they usually get will go away. So they keep doing it. Then, when you ask them why they do it, they are all too happy to MAKE UP vague, fanciful, jargon-laden accounts which will leave an impression that they know exactly why they're doing it in minute detail, and by implication demonstrate that they can somehow successfully manipulate all these invisible sonic phenomena on the guitar with ease. Luthiers usually won't stop you from believing that they are wizards. This is most painfully obvious in the realm of "tap tones."
Yes, I do "tap" a top to derive some rudimentary information about its anatomy. What you hear does give you some feedback clues which is useful and helpful. The "tuning" part is what is so misleading to beginners. At some point (most often toward the end of the process) many builders attempt to make some final changes in the anatomy of the soundbox, which the builder believes (I've selected this word carefully:) believes, is exercising some control over the final results. Both, skillful experts and deluded fools, equally, scrape here and there, tap, press, reach inside, remove a little on the back braces, on the top braces, and then at some point say THERE. It's just right.
Then there are other builders, masterful experts and deluded fools alike that DON'T. They believe that they're making all the crucial decisions in the INITIAL stages of the construction: materials selection, materials dimensioning, design: that is all they need to achieve the desired results.
Deutsche Übersetzung von Tante R.:
Als ich den Gitarrenbau erlernte, habe ich das durchgemacht, was Ihr durchmacht: Ich HÖRTE von einem Vorgang, der "tap-tuning" genannt wurde und der mystifiziert und breitgetreten wurde. Also nahm ich an, daß dies DAS Geheimnis für einfach zu wiederholende weltklassemäßige Ergebnisse wäre. Ich dachte sogar daß die Alchemie des Gitarrenbaus auf irgendeine Weise in diesem geheimnisvollen Akt der Zauberei enthalten sei, der "Stimmen der Decke" genannt wurde, daß es etwas wäre, von dem nur wenige Auserwählte Kenntnis hätten, die sie einem aber nicht sagen, so daß ich diese Kunst irgendwie auf eigene Faust zu erlernen hätte.
Leider machen allerdings Gitarrenbauer oft Dinge auf eine bestimmte Art und Weise, ohne zu wissen, WARUM sie das tun, einfach weil man es ihnen so beigebracht hat und sie befürchten, der erreichte gute Klang würde sich nicht einstellen, wenn sie etwas anders machen würden. Also bleiben sie dabei. Wenn man sie dann fragt, warum sie etwas auf eine bestimmte Weise tun, sind sie auch noch froh darüber, vage, phantasievolle und mit Fachsprache durchsetzte Aussagen zu treffen, die beim Fragesteller den Eindruck hinterlassen, der Befragte wisse schon genau, warum er etwas auf eine bestimmte Art mache und daß er in der Lage sei, all die unsichtbaren akkustischen Phänomene mit Leichtigkeit zu manipulieren und zu beherrschen. Gitarrenbauer werden Dich nicht daran hindern, sie als Magier anzusehen. Das offenbart sich am peinlichsten beim Thema "Tap-Tuning".
Ja, auch ich klopfe an eine Gitarrendecke, um ein paar rudimentäre Informationen über ihre Anatomie zu gewinnen. Was man beim Anschlagen hört, vermittelt schon einen gewissen Feedback und Ahnung, die hilfreich sind. Das, was für Anfäger so irreführend ist, ist der Teil, bei dem es aber um das "Stimmen" der Decke geht. In einer bestimmten Phase (meist gegen Ende des Gesamtprozesses) versuchen viele Gitarrenbauer, einige abschließende Veränderungen an der Anatomie des Korpus vorzunehmen, von denen der Gitarrenbauer glaubt, sie hätten Einfluß auf das Endergebnis. Beide: Der geschickte Gitarrenbauer und der fehlgeleitete Tropf schaben und kratzen gleichermaßen hie und da, klopfen ein wenig, drücken, langen in den Korpus um an einer Verstrebung des Gitarrenrückens oder vorne etwas abzunehmen, bis sie sagen: Ha, jetzt isses richtich.
Dann gibt es andere erfahrene Gitarrenbauer und fehlgeleitete Tröpfe, die dergleichen NICHT machen. Ich nehme an, daß diese alle bedeutenden Entscheidungen am Anfang des Bauvorgangs treffen: Materialauswahl, Dimensionierung der einzelnen Komponenten, Design. Das ist alles, was sie brauchen, um die angestrebten Ergebnisse zu erreichen.
Ja wie denn nun ? Ich weiß, daß der Cumpiano teilweise ein wenig zur Überheblickeit zu neigen scheint, so klingen jedenfalls teils die Antworten, die er in seinem Forum gibt, aber er ist auch ein echter Künstler, was man spätestens bei Betrachtung seines oben erwähnten Buches zugeben muß, wenn man sich vor Augen hält, daß er beispielsweise sämtliche Zeichnungen darin selbst gefertigt hat.