Thermobehandelte Decken
Moderator: RB
Thermobehandelte Decken
Ich habe seit einiger Zeit eine Gitarre mit einer thermobehandelten Decke (Atkin 0037). Nicht wegen der Decke, sondern allgemein nach Klang und Bespielbarkeit ausgesucht. Aber eine prinzipielle Frage mal dazu:
Wird durch eine solche Thermobehandlung sozusagen die komplette natürliche Alterung künstlich vorweggenommen? Oder kann eine so behandelte Decke sich durch regelmäßiges Spielen trotzdem noch weiter verbessern, wenn auch wahrscheinlich in geringerem Umfang?
Meine hier klang von Anfang an recht überzeugend ... aber ich habe den Eindruck, seither täglich gespielt legt sie tatschlich doch auch noch weiter zu ... Einbildung?
Wird durch eine solche Thermobehandlung sozusagen die komplette natürliche Alterung künstlich vorweggenommen? Oder kann eine so behandelte Decke sich durch regelmäßiges Spielen trotzdem noch weiter verbessern, wenn auch wahrscheinlich in geringerem Umfang?
Meine hier klang von Anfang an recht überzeugend ... aber ich habe den Eindruck, seither täglich gespielt legt sie tatschlich doch auch noch weiter zu ... Einbildung?
Re: Thermobehandelte Decken
Das würde mich auch interessieren. Meine Atkin hat auch so eine „gebackene“ (Sitka-)Decke. Die Gitarre klang schon neu extrem gut und irgendwie „saftig“, und nach einem Jahr stelle ich noch keine Veränderung fest.
Music is the best. (FZ)
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Re: Thermobehandelte Decken
Ich rate mal ( weil das fundierte Wissen fehlt ).
Das sind 2 Seiten einer Sache.
a) Der Alterungsprozeß und die in dieser Hinsicht zeitliche Entwicklung des Deckenholzes wird durch das " backen" künstlich erzeugt.
b) das einschwingen der Decke im Gesamtgefüge des Instrumentes und der Decke selber durch das Spielen, nimmt das "backen" nicht vorweg.
Insofern vermute ich das sich auch eine solcherart behandelte Decke beim spielen noch entwickelt.
Das sind 2 Seiten einer Sache.
a) Der Alterungsprozeß und die in dieser Hinsicht zeitliche Entwicklung des Deckenholzes wird durch das " backen" künstlich erzeugt.
b) das einschwingen der Decke im Gesamtgefüge des Instrumentes und der Decke selber durch das Spielen, nimmt das "backen" nicht vorweg.
Insofern vermute ich das sich auch eine solcherart behandelte Decke beim spielen noch entwickelt.
Zuletzt geändert von fingerstylist am So Feb 04, 2024 2:57 pm, insgesamt 2-mal geändert.
"Schön ist, was ohne Begriff als Gegenstand eines notwendigen Wohlgefallens erkannt wird."( I. Kant: Kritik der Urteilskraft )
Re: Thermobehandelte Decken
Ich frage mich ob ein Einschwingen der Decke, nachdem sie gebacken wurde, überhaupt noch möglich ist? 

Re: Thermobehandelte Decken
Hello,
laut Peter Finger, der ja auch einige seiner Gitarren mit Thermofichte gebaut hat, lohnt sich das Einschwingen auch noch bei denen. Nicht in gleichem Maße wie bei den unbehandelten aber es tut sich noch was.
Meine hing nur eine Stunde an einem ToneRite, weil ich sie gern zügig abholen wollte
. Sonst hätte er es auch bei ihr länger laufen lassen.
Ich werd das bei Gelegenheit noch nachholen. Habe neulich ein ToneRite günstig geschossen und hatte meine Lag da jetzt ne ganze Woche dran. Selbst bei dieser Gitarre (von 2013) hat es noch Einiges gebracht.
laut Peter Finger, der ja auch einige seiner Gitarren mit Thermofichte gebaut hat, lohnt sich das Einschwingen auch noch bei denen. Nicht in gleichem Maße wie bei den unbehandelten aber es tut sich noch was.
Meine hing nur eine Stunde an einem ToneRite, weil ich sie gern zügig abholen wollte

Ich werd das bei Gelegenheit noch nachholen. Habe neulich ein ToneRite günstig geschossen und hatte meine Lag da jetzt ne ganze Woche dran. Selbst bei dieser Gitarre (von 2013) hat es noch Einiges gebracht.
Re: Thermobehandelte Decken
Au ha, ToneRite, das ist ja noch ein ganz eigenes Thema, durchaus Popcorn-geeignet. 

Music is the best. (FZ)
Re: Thermobehandelte Decken
Ja, absolut
. Wollte jetzt aber gar nicht den Thread kapern und zu ner Voodoo-Sache machen, oder so. Kernaussage sollte sein: Ja, auch bei thermobehandelter Decke ist grundsätzlich noch eine weitere Tonentwicklung zu erwarten, wenn auch geringer als bei unbehandelten Decken.

Re: Thermobehandelte Decken
Deine Frage setzt die Grundsatzfrage voraus, ob es das viel zitierte "Einschwingen" überhaupt gibt.
Aus meiner Perspektive als jemand, der in dieser Industrie arbeitet:
Eine "eingeschwungene Gitarre" ist Mumpitz. Es gibt physikalisch kein Phänomen, das ein "Einschwingen" bei einer Akustikgitarre erklären könnte. Es gibt ja sogar Musiker die behaupten, dass sich die Holzfasern durch das "Einschwingen" parallel ausrichten und das Instrument dadurch einfach mehr im "Gleichklang" ist und lauter wird
Das einzige "Einschwingen" passiert mMn. im Gehirn des Musizierenden. Es ist eine Gewöhnung an einen Klangbild, mit dem man positive Erinnerungen oder Erlebnisse verbindet. Eine hochwertige, alte Gitarre hat oft einen hohen emotionalen Wert für Musiker. Das würde auch erklären, warum man manchmal trotz einer viel gespielten Gitarre "out of love" mit seinem Instrument fallen kann und sich nach einem neuen Instrument umsieht. Dein Gehör verändert sich, deine Vorlieben verändern sich - würde sich das Instrument immer "einschwingen", würde jede Gitarre phänomenal und unsterblich gut klingen, bloß weil sie viel gespielt oder an ein Tonerite gehängt wurde. Das ist aber nicht der Fall,.
Was es natürlich gibt, ist die natürliche Durchtrocknung deines Musikinstruments über die Jahre. Dementsprechend würde eine Thermodecke, insofern korrekt behandelt (also nicht zu stark bzw. zu heiß thermisch behandelt / gebacken (!) ), durchaus einen Aspekt eines künstlichen oder auch vorweggenommenen Alterungsprozesses widerspiegeln.
Der Alterungsprozess einer Akustikgitarre beinhaltet allerdings mehrere Aspekte, als die Durchtrocknung der Decke. Das gesamte Musikinstrument verliert in der Regel an Masse, weil sämtliche Komponenten durchtrocknen. Boden, Zargen, Beleistungen, Verleimungen, Lackierungen, ... letztere dampfen ggf. aus und werden spröder, gar rissig, begünstigt durch quellen und schwinden des darunterliegenden Holzes. Da kann man eher noch diskutieren, ob Lackrisse eine Gewisse Spannung von der Decke nehmen und die Decke dann freier vibrieren kann, als unter einer starren "Glasur" versteckt. Auch das geht aber wieder in bisschen in die Richtung "Voodoo".
im Endeffekt hat die gebackene Decke folgende Eigenschaften, die von vielen als Vorteile gesehen werden:
- Das Holz wird spröder und steifer.
- Das Holz wird leichter.
- Die Eigenschaft Feuchtigkeit aufzunehmen, wird dramatisch reduziert.
- Das Holz ist in der Folge kaum noch anfällig für Pilzbefall.
- Das Holz ist quasi "tot".
Als Resultat wird dein Instrument voraussichtlich:
- lauter
- eine direktere Ansprache haben
- ggf. dynamischer in der Reaktion auf Saitenanschläge unterschiedlicher Stärke
- deutlich weniger anfällig für "Weatherchecking" oder andere durch Luftfeuchtigkeit bedingte Schäden
- optisch älter / dunkler - das Auge hört immer mit und dunkle Hölzer empfinden viele Gitarristen einfach als ein Zeichen von Wertigkeit
Um auf deine Ausgangsfrage zurückzukommen: Ich denke, dass eine Thermodecke eine partielle Alterung deines Instruments imitiert. Das Deckenholz wird dadurch nicht mehr so viel "reagieren" und wird ggf. lauter, dein Instrument wird sich über die Jahre allerdings bei vielen anderen Komponenten trotzdem noch verändern.
Aus meiner Perspektive als jemand, der in dieser Industrie arbeitet:
Eine "eingeschwungene Gitarre" ist Mumpitz. Es gibt physikalisch kein Phänomen, das ein "Einschwingen" bei einer Akustikgitarre erklären könnte. Es gibt ja sogar Musiker die behaupten, dass sich die Holzfasern durch das "Einschwingen" parallel ausrichten und das Instrument dadurch einfach mehr im "Gleichklang" ist und lauter wird
Das einzige "Einschwingen" passiert mMn. im Gehirn des Musizierenden. Es ist eine Gewöhnung an einen Klangbild, mit dem man positive Erinnerungen oder Erlebnisse verbindet. Eine hochwertige, alte Gitarre hat oft einen hohen emotionalen Wert für Musiker. Das würde auch erklären, warum man manchmal trotz einer viel gespielten Gitarre "out of love" mit seinem Instrument fallen kann und sich nach einem neuen Instrument umsieht. Dein Gehör verändert sich, deine Vorlieben verändern sich - würde sich das Instrument immer "einschwingen", würde jede Gitarre phänomenal und unsterblich gut klingen, bloß weil sie viel gespielt oder an ein Tonerite gehängt wurde. Das ist aber nicht der Fall,.
Was es natürlich gibt, ist die natürliche Durchtrocknung deines Musikinstruments über die Jahre. Dementsprechend würde eine Thermodecke, insofern korrekt behandelt (also nicht zu stark bzw. zu heiß thermisch behandelt / gebacken (!) ), durchaus einen Aspekt eines künstlichen oder auch vorweggenommenen Alterungsprozesses widerspiegeln.
Der Alterungsprozess einer Akustikgitarre beinhaltet allerdings mehrere Aspekte, als die Durchtrocknung der Decke. Das gesamte Musikinstrument verliert in der Regel an Masse, weil sämtliche Komponenten durchtrocknen. Boden, Zargen, Beleistungen, Verleimungen, Lackierungen, ... letztere dampfen ggf. aus und werden spröder, gar rissig, begünstigt durch quellen und schwinden des darunterliegenden Holzes. Da kann man eher noch diskutieren, ob Lackrisse eine Gewisse Spannung von der Decke nehmen und die Decke dann freier vibrieren kann, als unter einer starren "Glasur" versteckt. Auch das geht aber wieder in bisschen in die Richtung "Voodoo".
im Endeffekt hat die gebackene Decke folgende Eigenschaften, die von vielen als Vorteile gesehen werden:
- Das Holz wird spröder und steifer.
- Das Holz wird leichter.
- Die Eigenschaft Feuchtigkeit aufzunehmen, wird dramatisch reduziert.
- Das Holz ist in der Folge kaum noch anfällig für Pilzbefall.
- Das Holz ist quasi "tot".
Als Resultat wird dein Instrument voraussichtlich:
- lauter
- eine direktere Ansprache haben
- ggf. dynamischer in der Reaktion auf Saitenanschläge unterschiedlicher Stärke
- deutlich weniger anfällig für "Weatherchecking" oder andere durch Luftfeuchtigkeit bedingte Schäden
- optisch älter / dunkler - das Auge hört immer mit und dunkle Hölzer empfinden viele Gitarristen einfach als ein Zeichen von Wertigkeit
Um auf deine Ausgangsfrage zurückzukommen: Ich denke, dass eine Thermodecke eine partielle Alterung deines Instruments imitiert. Das Deckenholz wird dadurch nicht mehr so viel "reagieren" und wird ggf. lauter, dein Instrument wird sich über die Jahre allerdings bei vielen anderen Komponenten trotzdem noch verändern.
World's okayest guitar player!
Re: Thermobehandelte Decken
Sehr interessant alles, danke für eure Meinungen!
Das ist genau das, was ich bei meiner Atkin festgestellt hatte, und ich das Gefühl habe, dass es sich nachdem sie jetzt etwa ein halbes Jahr täglich intensiv gespielt wurde sogar noch etwas verstärkt hat.
- Gitarrenmacher
- Beiträge: 3335
- Registriert: Fr Sep 21, 2007 4:27 pm
- Wohnort: 21379 Rullstorf
- Kontaktdaten:
Re: Thermobehandelte Decken
Hast Du mal die Luftfeuchtigkeit über die Gesamte Zeit des Besitzes beobachtet?
Bier ist der Beweis, dass Gott uns liebt und will, dass wir glücklich sind.
-Benjamin Franklin- *1706 t 1790-
http://www.gitarrenmacher.de
-Benjamin Franklin- *1706 t 1790-
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Re: Thermobehandelte Decken
Ja, habe ich - nicht wegen der Gitarren, aber ich hatte mal ein Schimmelproblem in einer kalten Außenecke, seither achte ich regelmäßig darauf. Da habe ich ziemlich konstant etwa 50% (im Moment sinds grad 48%). Nur im Sommer bei schwülen Wetterlagen kann es in der Zeit auch mal mehr werden. (Bei solchen Wetterlagen mit Luftfeuchte um die 60 bis 65% mögen alle meine Gitarren nicht mehr so recht klingen ... aber ok, ich bin dann ja auch schlapp ...
).

Re: Thermobehandelte Decken
Auch Holz kann dem Phänomen der zyklischen Ermüdung unterliegen. Dabei entsteht durch wiederholte (Über-)Beanspruchung eine Mikroschädigung. Bei einer beleisteten Gitarrendecke könnten das dann Mikrorisse im Holz oder in den Leimfugen, Kriechen der Leimfugen usw. sein.
Re: Thermobehandelte Decken
Dieser Thread ist bald reif den Verdienstorden für die Förderung und Pflege der wilden Spekulation.
Re: Thermobehandelte Decken
Das mag ja sein aber das würde doch kein Instrument der Welt „besser“ klingen lassen, sondern eher für eine Verschlechterung des allgemeinen Schwingungsverhaltens sorgen, oder sehe ich das falsch?gruhf hat geschrieben: ↑So Feb 04, 2024 7:59 pmAuch Holz kann dem Phänomen der zyklischen Ermüdung unterliegen. Dabei entsteht durch wiederholte (Über-)Beanspruchung eine Mikroschädigung. Bei einer beleisteten Gitarrendecke könnten das dann Mikrorisse im Holz oder in den Leimfugen, Kriechen der Leimfugen usw. sein.
World's okayest guitar player!