Genial? Genial!

[Rolli]

Tja,wir hatten ja schon so eine schöne Diskussion zu Jacob Collier im Nachbarthread. Tomis bezeichnete ihn ja als Blender, während ich den jungen Herrn ja sehr toll finde. Heute bin ich mal wieder über meine Antihelden gestolpert, die bei mir so ein ambivalentes Gefühl zwischen Ekel, Lachkrampf und Bewunderung hervorrufen. Was mich immer sehr abstößt, ist wenn der Musiker oder die Musikerin nach meiner Meinung die eigene Person in den Vordergrund stellt, eine große Show abfeiert und die Musik nur noch als Vehikel für einen selbstverliebten Narzismus dient. Marcin, ein junger polnischer Gitarrist mit einer "genialen" Technik sorgt bei mir jedes mal für dieses Gefühl. Auch weil die Technik zum scheinbaren Selbstzweck dient. Vielleicht hat TE sogar für diese Epigonen den Grundstein gelegt, nur habe ich bei TE den Eindruck - trotz all seiner humorigen Kasperei - dass die Musik der Chef ist und es sich sehr natürlich anfühlt. Klar Entertainer aber in einer für ich angenehmen Art. So ein Art Posing, dass sich selbst auf die Schippe nimmt.
Hier mal so ein Vortrag von Marcin, bei dem mir Übelkeit auftritt (vielleicht liegts auch an den Katzen).
https://www.youtube.com/watch?v=ZI5RRwQSyyE

Oder sowas: https://www.youtube.com/watch?v=PzBKlcYaKNg

Es gibt ja noch andere Vertreter dieser Art. Luca Stricagnoli oder Alex Misko (war auch mal bei uns zu Gast). Ich bewundere sie wirklich alle um ihre ausgefeilte Technik. Aber irgendwie fühlen ich die ganze Zeit, da würden Poser spielen, denen es erstmal um die Kohle geht. Und das alles so ein Kunstprodukt ist. So Taylor Swifts der Akustikgitarre.

Wie seht, hört und fühlt ihr so was?

[Angorapython]

Schade um das schöne Lied.

[Holger Hendel]

Ich bin mega dankbar für Taylor Swift oder auch für Ed Sheeran. Künstler, die Ihre Instrumente beherrschen und auch bei Livekonzerten tatsächlich live spielen. Sowas braucht es um "die Jugend" ans Instrument zu bekommen. Sowas sichert meine berufliche Zukunft. Beatles? Damit kann ein handelsüblicher 14jähriger heute oftmals nix anfangen, also braucht es neue "Helden". Marcin, Misko...oder auch Estas Tonne finde ich super, die haben halt "ihr Ding" gefunden und ziehen es durch, ohne Gnade. Da ich relativ selten Musik als Hauptbeschäftigung konsumiere und auch ganz selten Konzerte besuche ist mir ziemlich egal wie jemand beim Musizieren rüberkommt. Die Tatsache, die diese Leute ganz offenbar sehr viel Zeit mit ihrem Instrument verbracht haben finde ich super und sie sollen coole Musik spielen und andere inspirieren. Den affektierten Teil der Veranstaltung muss man ja nicht nachmachen, mir würden z.B. 15% von Marcins re. Hand-Technik reichen.

[fingerstylist]

Die einen wollen halt "gut bei den Mädels ankommen", die Anderen Kunst machen.
Dazwischen ist wohl ein weites Feld von Unterhaltern, Selbstdarstellern, ernsthaften Künstler, Lebenskünstler.....

Ich höre mir sicher nicht alles gerne an, aber find nichts davon schlimm....noch nicht einmal den :

https://www.youtube.com/watch?v=7gphiFVVtUI

[Rolli]

Ich schon:
https://www.youtube.com/watch?v=UpF64xyNPrQ

[JazzDude]

Ich bin da ganz bei Rolli, die Beispiele von diesem Japaner finde ich ganz furchtbar, Fußnägel aufrollend, Fluchtreflex auslösend. Und dann auch noch Bill Withers schänden, ekelhaft.


Man kann solche Abartigkeiten aber auch einfach ignorieren, gell?

[Rolli]

Es gibt aber zu meinem Glück junge Talente, die auch eine wundervolle Technik haben, aber die Musik mit Respekt, Seele und authentischer Musikalität behandeln: Kent Nishimura - In your Eyes

https://www.youtube.com/watch?v=Vtdt-uI75Qs

[HR]

Für mich sieht das auch aus wie eine Selbstinszenierung. Er dürfte wohl eine klassische Ausbildung haben (Haltung der rechten Hand / Daumen).

Aber für mich klingt das Stück zu Tode arrangiert. Überladen. Er integriert alle möglichen Spieltechniken. Wirkt so als wollte er sagen: "schaut her was ich alles kann". In unserer Zeit wird man ja nur mehr gehört, wenn man etwas außergewöhnliches macht. Und gehört will er schon werden. Das geht mit der Art von Gitarrespiel wie es die meisten von uns machen nicht.

Ich habe wahrscheinlich nur einen winzigen Bruchteil seines technischen Könnens, aber irgendwie bin ich ihm gar nicht neidisch. Aber ich bin ja sowieso nicht so der perkusive Typ.

[leo]

Also ich verbuche die hier vorgestellten Beispiele eher unter dem Begriff "Jahrmarkt".
Klar, sowas gab es schon immer, Klamauk halt eben. Und auch der hat seine Berechtigung.
Tut ja keinem weh, außer mir. Von sowas bekomme ich Alpträume.
Ich bevorzuge da ehrlich gesagt eher sowas:

https://youtu.be/vOxPjUWHoaQ?si=XOeouT3Px-AXgFI3
oder sowas:

https://youtu.be/4ErHNWzJPI4?si=epAvyrZQ9-fAuOXX

In den fünf bzw. knapp vier Minuten steckt doch mehr Musikalität und Aussagekraft als in dem gesamten
anderen Kasperkram.

[Andreas]

Ich bin da ganz bei Rolli, die Beispiele von diesem Japaner finde ich ganz furchtbar, Fußnägel aufrollend, Fluchtreflex auslösend. Und dann auch noch Bill Withers schänden, ekelhaft.


Man kann solche Abartigkeiten aber auch einfach ignorieren, gell?

Ruhig, Brauner,
so Sprüche haben meine Urgroßeltern rausgehauen, wenn sie zum ersten Mal z. B. Elvis & Co.
Dann die Großeltern und dann die Eltern - irgendwas ist immer.

Ich kenne Marcin (und Alex Misko) und weiss, mit welcher Leidenschaft und Spielfreude sie an die Sache rangehen.
Der andere junge Mann klingt sehr deutlich nach traditioneller chinesischer Musik.

Wenn wir 60+er damit nicht klarkommen, ist das eben so. Time's running.
Ich war im Oktober auf der Messe China in Shanghai und musste lernen, das die (musikalische) Zeit sehr sehr schnelllebig ist.

Die haben nicht Bill Withers geschändet - allenfalls seine Musik neu interpretiert.

Ob das gefällt oder nicht, ist nunmal sehr subjektiv.


Glück Auf

Andreas

[Andreas]

In den fünf bzw. knapp vier Minuten steckt doch mehr Musikalität und Aussagekraft als in dem gesamten
anderen Kasperkram.

Was Du da despektierlich als 'Kasperkram' abtust, ist harte Arbeit und Leidenschaft.

GA
Andreas

[Rolli]

Ich bin da ganz bei Rolli, die Beispiele von diesem Japaner finde ich ganz furchtbar, Fußnägel aufrollend, Fluchtreflex auslösend. Und dann auch noch Bill Withers schänden, ekelhaft.


Man kann solche Abartigkeiten aber auch einfach ignorieren, gell?

so Sprüche haben meine Urgroßeltern rausgehauen, wenn sie zum ersten Mal z. B. Elvis & Co.
Dann die Großeltern und dann die Eltern - irgendwas ist immer.

Ich kenne Marcin (und Alex Misko) und weiss, mit welcher Leidenschaft und Spielfreude sie an die Sache rangehen.
Der andere junge Mann klingt sehr deutlich nach traditioneller chinesischer Musik.

Wenn wir 60+er damit nicht klarkommen, ist das eben so. Time's running.
Ich war im Oktober auf der Messe China in Shanghai und musste lernen, das die (musikalische) Zeit sehr sehr schnelllebig ist.

Die haben nicht Bill Withers geschändet - allenfalls seine Musik neu interpretiert.

Ob das gefällt oder nicht, ist nunmal sehr subjektiv.

Andreas, stimmt ja alles, ich sprach ja auch ganz oben von meinem Gefühl und meiner Meinung (sogar fett).
Ich spreche den Bengels auch gar keine Leidschaft oder gar Talent ab, nur - wenn eine Leidenschaft da ist, dann nehme ich da nix war.

Alex Misko war auch bei uns im KulturGUT, zusammen mit Janek Pentz. Unterschiedlicher können Musiker und deren Musik kaum sein. Von daher kommt es immer darauf an, welche Erfahrunge man mit den Menschen macht. Janek hat sehr schöne emotionale Musik gemacht und ist ein wundervoller junger, weltoffener Mensch ohne jegliche Allüren.

Und doch, ich empfinde den Vortrag auch als Schändung. Aber das darf man ja auch. Gefällt Dir das denn? Mal ehrlich?

In den fünf bzw. knapp vier Minuten steckt doch mehr Musikalität und Aussagekraft als in dem gesamten
anderen Kasperkram.

Das sehe ich jetzt zumindest für das letzte Beispiel wieder total anders, aber so verschieden sind die Wahrnehmungen. Ich würde bei Benjamin Tod genauso weglaufen, wie bei Marcin und seinem Kumple Ishika.
Finde ich musikalisch total beliebig. Die Stimme sorgt dafür, dass ich keinerlei Interesse habe den Text zu verstehen.

[Andreas]

Und doch, ich empfinde den Vortrag auch als Schändung. Aber das darf man ja auch. Gefällt Dir das denn? Mal ehrlich?

Moin Rolli,
in meinem Job stehe ich da oft am 'Scheideweg'. Ich erinnere mich an die erste Platte von Andy McKee; da dachte ich: Wo ist die Musik hin? Dann habe ich Jahre später Jon Gomm, Daniel Champagne oder Andres Godoy kennengelernt und festgestellt, das Musik (wie Sprache) sich dramatisch wandelt.
Nein, mein Ding ist das nicht unbedingt. Ich höre zuhause gern die alten Recken: John Hiatt, Steve Earle, Buddy Miller, Bela Fleck, (btw. Peter Frampton spielt jetzt auch AER
Eben durch meinen Job treffe ich viele internationale Künstler, manche schänden, manche innovatierereren - aber alle lieben die Musik.
Funfact: In Shanghai waren 5 kleine Jungs in Schlafanzügen, die Van Halens 'Jump' trefflich abgeliefert haben. Das war keine Schändung, das fand' ich eher albern.

Am 18. April ist Charlotte Pelgen bei uns. Ukulele Songs aus den 1930er Jahren. #findichgut,

Glück Auf
A

[Gitarrenspieler]

Mir imponieren eher solche Talente. Nicht die reinen Techniker.
Anfangs ist der Ton nicht so gut im Video, aber hört das mal durch.

[leo]

Was Du da despektierlich als 'Kasperkram' abtust, ist harte Arbeit und Leidenschaft.

Klar ist das harte Arbeit! Und ich bezweifle auch auf keinen Fall deren technische Fähigkeiten.
Die sind allemal atemberaubend. Bei der Leidenschaft bin ich mir da allerdings nicht mehr ganz
so sicher. Das wirkt auf mich schon sehr plakativ. Und fesselt mich auch nicht länger als eine Minute.
Und dann kann/will ich nicht mehr zuhören. Aber wie immer, dass ist halt mein Problem. Anderen geht
es da sicherlich völlig anders.

Finde ich musikalisch total beliebig. Die Stimme sorgt dafür, dass ich keinerlei Interesse habe den Text zu verstehen.

Ich habe die zwei Beispiele mal ganz bewusst gegeneinander gestellt, Roland. Ich hatte bei beiden das Vergnügen,
sie mal live zu erleben. Bei Michal Gondko war ich völlig fasziniert von seiner unglaublich zurückhaltenden
Art und Weise, wie er diese Renaissancemusik darbietet. Da wird man, also ich, richtig demütig.
Und ja, Benjamin Tods Musik ist schlicht, sehr schlicht, und seine Stimme sicher gewöhnungsbedürftig.
Aber irgendetwas an seinem Gesang fasziniert mich. Etwa so, wie mich schon immer irgendetwas am Gesang
von Townes van Zandt fasziniert hat. Und nebenbei mag ich Benjamin Tods Fähigkeiten als Songwriter sehr.
Da ist der schon sehr authentisch.

So hat halt jedes Dippsche sei Deckelsche! Ist ja auch gut so, oder wie seh' ich des?

LG Leo