Wiederbelebung einer Spende des Gitarrenmachers

Hier zeigen die Laien, was sie trotz linker Hände drauf haben!
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Niels Cremer
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Wiederbelebung einer Spende des Gitarrenmachers

Beitrag von Niels Cremer »

Vor einiger Zeit schrub mir der liebe Christian aka Der Gitarrenmacher dass er noch eine alte Wandergitarre vom Flohmarkt hätte die er immer mal wieder aufbereiten wollte, aber nie dazu kam und er sie im Zuge einer Aufräumaktion weggeben wollte. Ich sagte natürlich gleich zu und bald darauf kam dieses schöne alte Teil gut verpackt bei mir an.

Vielen lieben Dank nochmal, Christian!! :bide:

Einige Zeit zierte sie nur eine Wand in meiner Werkstatt, kürzlich nahm ich sie nochmal in die Hand und dachte die bekommst du flott wieder hin. Der Hals musste neu gesetzt werden, und es stellte sich heraus dass der Hals auch einen Argen Bogen, eine deutlich konkave Fingerschanze, darstellte. Die habe ich mit Wärmebehandlung, Schraubzwingen und einem gegengelegten Profileisen recht gut herausbekommen, bis dato hält es auch und der Hals ist fast gerade, sogar unter Spannung (11er Elixir). Im Anschluss habe ich den Hals von hinten abgeschliffen da er einige arge Macken hatte und das Ganze schwarz lackiert und mit ein, zwei Schichten Klar-Nitrolack versiegelt. Vorher galt es noch einen seitlichen Riss in einem der „Fenster-Rahmen“ am Kopf neu zu verleimen, der zeigte schon einen groben Reparaturversuch (natürlich aus vor-Gitarrenmacher-Zeiten!!) bei dem der Riss nicht nur schlecht, sondern auch versetzt verleimt war sodass es einen Überstand gab. Das konnte ich auch ganz gut beheben, man sieht wohl noch den Schatten des Risses, aber passt scho wie man hier in Bayern sagt.

Zudem habe ich den viel zu hohen Null-Bund ersetzt, die non-matching Stimm-Mechaniken durch ein altes, aber zueinander passendes Set ersetzt das einigermassen zu ihr passt (nicht ganz alt genug denke ich) und sie natürlich in Gänze gesäubert, aber insgesamt versucht ihr ihre Patina zu belassen.

Zur Herkunft kann ich (und konnte Christian auch) nicht viel sagen, sie ist bar jeder Beschriftung, Inschrift, Label oÄ. Ich habe im Netz einige ähnlich aussehende Gitarren von Meinl & Herold finden können, auch Höfner hatte wohl ähnliches im Programm in den 20er und 30er Jahren. Oft wurden diese Gitarren damals als „Hawaii-Gitarre“ bezeichnet, und einige Indizien lassen mich glauben dass auch diese hier ein solche sein könnte: Sie hat ein flaches, eher breites Griffbrett und der Null-Bund (der original aussah) war deutlich zu hoch. Man konnte sie zwar spielen, aber sehr angenehm war das nicht, wozu natürlich auch der Bananen-Hals beigetragen hat. Aber sogar nachdem ich den begradigt hatte machte das Ganze nur Sinn, wenn man annimmt dass es ein Instrument sein sollte, auf dem sowohl „normal“ (mit der linken Hand auf dem Griffbrett greifend) gespielt werden „kann“, dass sie aber eben auch als Slide-GItarre (aka Hawaii-Gitarre) herhalten konnte. Ich habe das set-up jetzt so gemacht, dass man sie etwas angenehmer „normal“ spielen kann, mit eingesetzter (höhenverstellbarer) schwebender Brücke und mit entsprechend eingestellter Saitenlage dann aber immer noch als slide-Gitarre dienen kann. Am angenehmsten ist es bei normaler Spielweise immer noch wenn man mit Capo im 1. oder 2. Bund spielt.

Beim normalen Spiel mit flacher Saitenlage hat sie einen ebenso flachen break-angle hinter der Brücke, was ihr einen recht eigentümlichen Klang verleiht, fast so ein bischen in Richtung Banjo. Das hat mich auf die Idee gebracht mit ihr mal so eine „rubber bridge“ auszuprobieren wie sie in Neo Folk-Kreisen seit einiger Zeit ab uns zu gespielt werden, das bietet sich auch an weil sich die schwebende Brücke bei ihr so leicht austauschen lässt. Und was soll ich sagen, ich bin begeistert! Kaum noch sustain und sehr „plucky“, aber irgendwie hat das was. Es klingt so irgendwo zwischen Banjo und gezupftem Cello, wenn ich wieder aus dem Urlaub zurück bin muss ich mal was aufnehmen damit.

Also danke nochmal an Christian, der mir nicht nur ein interessantes und charmantes Instrument kredenzt hat sndern mir auch meinen wahrscheinlich längsten post in diesem Forum hier eingebracht hat! :lol:

LG,
Niels

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Niels Cremer
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Re: Wiederbelebung einer Spende des Gitarrenmachers

Beitrag von Niels Cremer »

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JazzDude
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Re: Wiederbelebung einer Spende des Gitarrenmachers

Beitrag von JazzDude »

:bide: :bide: :bide:

Wie hast du den Gummi-Steg gemacht?

Und ist das so ein alter Flamenco-Capo oder wie die auch immer heißen?
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saitentsauber
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Re: Wiederbelebung einer Spende des Gitarrenmachers

Beitrag von saitentsauber »

Niels Cremer hat geschrieben:
Fr Sep 12, 2025 10:01 pm
es stellte sich heraus dass der Hals auch einen Argen Bogen, eine deutlich konkave Fingerschanze, darstellte. Die habe ich mit Wärmebehandlung, Schraubzwingen und einem gegengelegten Profileisen recht gut herausbekommen, bis dato hält es auch und der Hals ist fast gerade
Könntest Du das mit dem gegengelegten Profileisen etwas genauer erklären, ggf. anhand eines Fotos?
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Niels Cremer
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Re: Wiederbelebung einer Spende des Gitarrenmachers

Beitrag von Niels Cremer »

JazzDude hat geschrieben:
Fr Sep 12, 2025 10:25 pm
:bide: :bide: :bide:

Wie hast du den Gummi-Steg gemacht?

Und ist das so ein alter Flamenco-Capo oder wie die auch immer heißen?
Danke dir! :-)

Als Gummi-Brücke hab ich ein Stück eines sehr dicken, runden Gummi-Rings genommen den ich in der Werkstatt rumliegen hatte, der hatte genau die richtige Höhe, ist zwar nicht 100% gerade, wird aber durch den Saitendruck einigermaßen in Position gehalten. Keine Ahnung was das eigentlich für ein Teil ist und woher ich den hab …

Ich weiß auch nicht wie diese Capos heißen, ich habe diesen vor ziemlich genau 35 Jahren von einem Gitarrenbauer in Hsinchu City/Taiwan erstanden als wir gerade dorthin gezogen waren. Der hat die dort so nebenbei aus Holzresten gebaut, ist einfach nur ein Stück Holz, ein Stück einer Nylon-Gitarrensaite und ein Violinen-Stimmflügel, als Polsterung soz. dient ein Stück Wildleder. Das ist der einzige Capo ohne Radius den ich habe, aber er funktioniert wunderbar.

LG,
Niels
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Niels Cremer
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Re: Wiederbelebung einer Spende des Gitarrenmachers

Beitrag von Niels Cremer »

saitentsauber hat geschrieben:
Fr Sep 12, 2025 10:48 pm
Niels Cremer hat geschrieben:
Fr Sep 12, 2025 10:01 pm
es stellte sich heraus dass der Hals auch einen Argen Bogen, eine deutlich konkave Fingerschanze, darstellte. Die habe ich mit Wärmebehandlung, Schraubzwingen und einem gegengelegten Profileisen recht gut herausbekommen, bis dato hält es auch und der Hals ist fast gerade
Könntest Du das mit dem gegengelegten Profileisen etwas genauer erklären, ggf. anhand eines Fotos?
Ich hab leider nicht viele Fotos gemacht von den eigentlichen Arbeiten, auf diesem erkennt man uU nicht allzu viel. Es ist ein U-Profileisen das auf dem Griffbrett liegt, an jedem Ende auf einem mit Filz beklebten Plättchen Holz damit es keine unschönen Spuren hinterläßt. In dem „U“ liegt noch ein Stück Holz das aber nur dazu dient, dass man die Schraubzwinge besser aufsetzen kann. Dann habe ich an der Stelle an der die Wölbung am stärksten ist eine Schraubzwinge angelegt und leicht angezogen, von der Unterseite schützt ein eintsprechend zurechtgeschnittenes Stück Kork den Hals. Dann mit einer Heißluftpistole vorsichtig (!!) den Hals erwärmt und dabei die Schraubzwinge in kleinen Schritten immer weiter angezogen, bis ich quasi etwas über dem Punkt war an dem ich den Hals Ohne Zwinge dann haben wollte, es gibt meist etwas „rebound“ wenn man die Spannung löst. Dann das Ganze vollständig abkühlen lassen und erst dann die Zwinge lösen. Das Gleiche hab ich auch schonmal mit Hitze-Lampen erfolgreich gemacht, am einfachsten und auch am sichersten geht es mit Heiz- oder Wärme-Pads, da hab ich aber keine. Man muss sehr vorsichtig sein beim Erhitzen weil die meisten Lacke und zB auch Zelluloid-Einlagen etc. sehr Hitzeempflindlich sind und uU auch in Flammen aufgehen können!

LG,
Niels

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saitentsauber
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Re: Wiederbelebung einer Spende des Gitarrenmachers

Beitrag von saitentsauber »

Vielen Dank! Das klingt so, als könne es extrem hilfreich sein...
Niels Cremer hat geschrieben:
Fr Sep 12, 2025 11:05 pm
Man muss sehr vorsichtig sein beim Erhitzen weil die meisten Lacke und zB auch Zelluloid-Einlagen etc. sehr Hitzeempflindlich sind und uU auch in Flammen aufgehen können!
Ist es eine Überinterpretation, wenn ich das so verstehe, dass das Risiko deutlich(!) kleiner ist, wenn "nur" unbearbeitetes Holz erwärmt werden soll?
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bookwood
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Re: Wiederbelebung einer Spende des Gitarrenmachers

Beitrag von bookwood »

Coole Sache - danke Niels für den Bericht.

So'n schlichten Flamenco-Nylon-Kapo hab ich auch, funktioniert sehr gut. La Sonata hat eine "kleine" Auswahl, auch aufwendiger gestaltet und slightly expensive :mrgreen: : Capos
Gruß
von
Ralf
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Niels Cremer
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Re: Wiederbelebung einer Spende des Gitarrenmachers

Beitrag von Niels Cremer »

saitentsauber hat geschrieben:
Sa Sep 13, 2025 12:14 pm
Vielen Dank! Das klingt so, als könne es extrem hilfreich sein...
Niels Cremer hat geschrieben:
Fr Sep 12, 2025 11:05 pm
Man muss sehr vorsichtig sein beim Erhitzen weil die meisten Lacke und zB auch Zelluloid-Einlagen etc. sehr Hitzeempflindlich sind und uU auch in Flammen aufgehen können!


Ist es eine Überinterpretation, wenn ich das so verstehe, dass das Risiko deutlich(!) kleiner ist, wenn "nur" unbearbeitetes Holz erwärmt werden soll?
Nein, ist es überhaupt nicht, es ist quasi der Umkehrschluss und trifft denke ich genau zu. Wobei Holz selbst natürlich auch brennbar ist … :wink: hat alles seine Grenzen! :lol:

LG,
Niels
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