Deine Frage setzt die Grundsatzfrage voraus, ob es das viel zitierte "Einschwingen" überhaupt gibt.
Aus meiner Perspektive als jemand, der in dieser Industrie arbeitet:
Eine "eingeschwungene Gitarre" ist Mumpitz. Es gibt physikalisch kein Phänomen, das ein "Einschwingen" bei einer Akustikgitarre erklären könnte. Es gibt ja sogar Musiker die behaupten, dass sich die Holzfasern durch das "Einschwingen" parallel ausrichten und das Instrument dadurch einfach mehr im "Gleichklang" ist und lauter wird
Das einzige "Einschwingen" passiert mMn. im Gehirn des Musizierenden. Es ist eine Gewöhnung an einen Klangbild, mit dem man positive Erinnerungen oder Erlebnisse verbindet. Eine hochwertige, alte Gitarre hat oft einen hohen emotionalen Wert für Musiker. Das würde auch erklären, warum man manchmal trotz einer viel gespielten Gitarre "out of love" mit seinem Instrument fallen kann und sich nach einem neuen Instrument umsieht. Dein Gehör verändert sich, deine Vorlieben verändern sich - würde sich das Instrument immer "einschwingen", würde jede Gitarre phänomenal und unsterblich gut klingen, bloß weil sie viel gespielt oder an ein Tonerite gehängt wurde. Das ist aber nicht der Fall,.
Was es natürlich gibt, ist die natürliche Durchtrocknung deines Musikinstruments über die Jahre. Dementsprechend würde eine Thermodecke, insofern korrekt behandelt (also nicht zu stark bzw. zu heiß thermisch behandelt / gebacken (!) ), durchaus einen Aspekt eines künstlichen oder auch vorweggenommenen Alterungsprozesses widerspiegeln.
Der Alterungsprozess einer Akustikgitarre beinhaltet allerdings mehrere Aspekte, als die Durchtrocknung der Decke. Das gesamte Musikinstrument verliert in der Regel an Masse, weil sämtliche Komponenten durchtrocknen. Boden, Zargen, Beleistungen, Verleimungen, Lackierungen, ... letztere dampfen ggf. aus und werden spröder, gar rissig, begünstigt durch quellen und schwinden des darunterliegenden Holzes. Da kann man eher noch diskutieren, ob Lackrisse eine Gewisse Spannung von der Decke nehmen und die Decke dann freier vibrieren kann, als unter einer starren "Glasur" versteckt. Auch das geht aber wieder in bisschen in die Richtung "Voodoo".
im Endeffekt hat die gebackene Decke folgende Eigenschaften, die von vielen als Vorteile gesehen werden:
- Das Holz wird spröder und steifer.
- Das Holz wird leichter.
- Die Eigenschaft Feuchtigkeit aufzunehmen, wird dramatisch reduziert.
- Das Holz ist in der Folge kaum noch anfällig für Pilzbefall.
- Das Holz ist quasi "tot".
Als Resultat wird dein Instrument voraussichtlich:
- lauter
- eine direktere Ansprache haben
- ggf. dynamischer in der Reaktion auf Saitenanschläge unterschiedlicher Stärke
- deutlich weniger anfällig für "Weatherchecking" oder andere durch Luftfeuchtigkeit bedingte Schäden
- optisch älter / dunkler - das Auge hört immer mit und dunkle Hölzer empfinden viele Gitarristen einfach als ein Zeichen von Wertigkeit
Um auf deine Ausgangsfrage zurückzukommen: Ich denke, dass eine Thermodecke eine partielle Alterung deines Instruments imitiert. Das Deckenholz wird dadurch nicht mehr so viel "reagieren" und wird ggf. lauter, dein Instrument wird sich über die Jahre allerdings bei vielen anderen Komponenten trotzdem noch verändern.