Klassische Gitarre - Bautagebuch Teil 3

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dadoc
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Registriert: Do Jul 06, 2006 10:21 am

Klassische Gitarre - Bautagebuch Teil 3

Beitrag von dadoc »

Es geht natürlich weiter bis zum Ende!

Wie versprochen gibt es nun den dritten und letzten Teil mit dem Finish der in den ersten beiden Teilen beschriebenen und zusammengebauten Gitarrenteile.

Viel Spass weiterhin beim Lesen!

Nach dem Entfernen des Hosengummis als letztem Schritt des Zusammenbaus werden zunächst Decke und Boden bündig zur Zarge abgefräst. Danach wird alles fein geputzt und schön geschliffen. Das ist ein wichtiger Schritt, denn nach dem Anbringen der Randleisten würde schleifen und putzen zu Lasten der Randleistendicke gehen, was nicht erwünscht ist. Deswegen wird’s in diesem Schritt so weit gemacht, dass die Gitarre eigentlich lackier bzw. polierfertig ist. Und weil das so sauviel Arbeit ist, gibt’s keine Fotos davon – die wären auch recht langweilig…

Interessanter ist das Ergebnis der Fräsungen für die Randleisten und Zierspäne:

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Natürlich muss auch der Halsfuss bearbeitet werden und weil das mit dem Fräser hier nicht geht, ist feine Handarbeit angesagt…

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…und man kann den Deckenklötzchen ein letztes „Hallo“ sagen…

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… und so sieht der Frästisch aus, den ich mir dazu gebaut habe. Oben sieht man den Anschlag, den ich aus einen Rest Holz gebastelt habe und der mittels Flügelschrauben und Schlitzen verstellbar ist. Die Einstellung des Fräsers bzgl. Höhe und Tiefe ist natürlich auf den 10tel mm genau zu machen, was eigentlich mehr Zeit in Anspruch nimmt, als das eigentliche Fräsen.

Das Foto verrät noch ein fatales Detail: Ich habe vergessen, den Frästisch mit einer Zwinge an der Werkbank zu fixieren, was dazu geführt hat, dass der Fräser mehr als normal vibriert hat und mir an der Decke an drei Stellen enorme Fetzen aus der Decke gerissen hat… glücklicherweise genau so tief, dass das mit der Fräsung der Fuge für die Zierspäne wieder beseitigt war, aber nur einen ½ mm tiefer und das wärs gewesen…. SCHWITZ!

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So, nun geht’s weiter mit dem Anleimen der vorher gebogenen Randleisten und Zierspäne, wobei ich die Zierspäne nur an der Taille vorgebogen habe, die anderen Biegungen verkraften sie auch ohne Biegeeisen. Ich habe die Ränder am Boden mit einem Klebeband fixiert, so wie das z.B. Voigt in seinen Kursen lehrt. An der Decke habe ich mit der alten Wickel-Methode auf Empfehlung von Andi Kirschner gearbeitet. Bislang hatte ich immer die Klebebeband-Methode gewählt, aber mit den nun gemachten Erfahrungen werde ich nur noch wickeln! Das ist wesentlich relaxter und hält 1000mal besser, was für die Statik entscheidend ist. Vom Klang ganz zu schweigen, doch dazu später mehr (ganz breites Grinsen…)

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Nach dem Trocknen heisst es nun, die Ränder bündig zu arbeiten. Das geht grob mit dem Hobel und fein mit der Zierklinge. Schleifpapier ist hier total tabu, weil die hellen Bereiche der Zierspäne sonst mit dem Staub des Palisanders versaut werden und das geht nie mehr raus… dafür gibt es wunderschöne Hobelspäne als Belohnung!

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Nach dem Bündigarbeiten steht nun noch mal der letzte Putz ins Haus. Sämtliche Leimreste und Unebenheiten müssen beseitigt werden, da der Schellack im nächsten Schritt wie eine Lupe alle Fehler 1000fach vergrössert!

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Im Detail schauts dann so aus…

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… und so:

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Dabei heisst es, bloss nirgends abrutschen, weil ab jetzt Fehler nicht mehr korrigierbar sind. Die Decke ist schon auf Endstärke und jede Delle wird zur Katastrophe! Dafür geht es jetzt los mit Abkleben der späteren Leimflächen fürs Griffbrett und für den Steg:

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Und Aufbringen der ersten Grundpolitur, die darin besteht, mit geringsten Mengen an Schellack und Bimsmehl die Poren des Holzes zu schliessen. Hier sieht man die teilweise noch offenen Poren recht gut:

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In der Zwischenzeit hatte sich mein Ebenholz-Griffbrett verzogen und war unbrauchbar geworden (es wurde zur Dachrinne… mal wieder ein Danke an Woodland!), also musste ein neues her, das ich mangels Ebenholz aus Palisander gemacht habe:

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Und wieder Bundstäbe einschlagen…

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Dann ging’s zur „Anprobe“ des Griffbretts auf die fast fertig polierte Gitarre. Dabei ist ein lückenloses Aufliegen des Griffbretts, die absolute Parallelität zur Ebene der Decke und eine letzte Möglichkeit zur Korrektur des Halswinkels zu beachten. Dafür muss man sich Zeit nehmen, weil das der letzte Schritt ist und es lohnt sich, da genau zu sein!

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Wenn alles passt, kann aufgeleimt werden. Wie auf dem Foto zu sehen ist, habe ich das Griffbrett recht dünn gemacht und eine Zwischenschicht aus Cedro untergeleimt. Damit ist das Griffbrett auf der Decke erhöht, was das Spiel in den höchsten Lagen erleichtert und es wirkt dennoch nicht wie ein Balken, sondern liegt optisch leicht und fast filigran auf:

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Hier sieht man noch mal schön das Farbspiel des Cocobollo an den Zargen:

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Danach wird die Position des Steges genauestens vermessen, wobei ich zur Mensurlänge ca. 1,5mm Ausgleich dazugebe, die benötigt werden, wenn die Saiten in den hohen Lagen nach unten gedrückt werden. Würde man genau 650mm nehmen, würde die Gitarre nur in den Flagoletts bundrein klingen, nicht aber in den normal gespielten Lagen. Vor lauter Nachmessen und Feinjustieren habe ich die Fotos des Stegleimens vergessen, aber das ist reichlich unspektakulär…

Und hier sind nun die Fotos des Endergebnisses:

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Und hier sind die beiden „Schwestern“ R1 und R2 – und ich bin ehrlich stolz auf meine Handschrift, die beide tragen!

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Zum Klang gibt es bald noch mehr, wenn ich Zeit hatte, was aufzunehmen. Ich verspreche viel, denn die R2 ist der Hammer geworden! Für alle im Münchner Raum sei schon mal gesagt, dass ich mich sehr freuen würde, wenn ihr zum Probespielen kommen wollt! Wenn ihr Lust habt, organisiere ich ein Treffen und dann legen wir mal zusammen los!

Wie wärs?
Michael
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westfeuer
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Beitrag von westfeuer »

Ist das ne schöne Gitarre! Ich bin sehr auf die Soundsamples gespannt!!!
Meine Hochachtung!
Sah Dich dort oben, Du warst so nah
Ein kleiner Schritt nach vorn, schon bin ich da
Die Augen zu, deine Haare im Gesicht
Konnte Dich fühlen, Zweifel gab es nicht


[ "Falscher Traum" by westfeuer ]
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Treehugger
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Beitrag von Treehugger »

Michael,

eindrucksvolle Arbeit.
Vielen Dank für Deine tolle Dokumentation.
Meine Hochachtung.
Cheers,

Treehugger

Keep busy folks, 'cause no dog ever p*ssed against a moving car ... ;-)
PaulMc

Beitrag von PaulMc »

Ja, auch Danke sag.
Beindruckend deine Fähigkeiten. Hab ich leider nicht.

Gruss

Ulrich
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Beitrag von Admin »

Sehr schön, auch der Werdegang schön bebildert.
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