WolfF hat geschrieben:Ist das eigentlich auch Improvisieren? Man hat irgendwo einen netten Text gefunden, dem – wie man meint – ein Vertonung gut tun würde, und dann probiert man rum – im Rahmen seiner Fähigkeiten. Bei mir heißt das: mit den gängigen Tonarten und Akkorden, mit 4/4, 3/4, bis sich allmählich so etwas wie eine Melodie herauskristallisiert, die "passt". Die spiel ich dann noch hundert Mal, vielleicht kommt dann noch eine kleine Prise Fingepicking dazu – und dann bleibt es so ...
Und manchmal wundere ich mich, dass so ein Liedchen, wenn ich es jahrelang nicht gespielt habe, dann doch nach zwei drei Versuchen wieder "da" ist.

Wolfgang
Das würde ich dann schon als "Trial and Error" Komposition bezeichnen!
Ebenso wie den Vorgang den Tele hier beschreibt:
Ok, ich gebe zu, mein als humorvoll geplanter Einstieg war etwas missraten, Ironie kommt im Netz halt nur bedingt rüber, also zurück zum Thema:
Ich unterscheide da, zwischen der prinzipiellen Fähigkeit, irgendwas ohne Noten spielen zu können und dem musikalischen Endergebnis.
Da habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein "verkopfter" Ansatz für mich die besseren Ergebnisse bringt, als "Aus'm Bauch".
Nehmen wir mal einen Jazz Blues. "Aus'm Bauch fallen mir da ein par Standard Pentatonik Licks ein.
Wenn ich aber Zeit habe, mir was zurechtzulegen, kann ich Chromatik einbauen und harmonisch auf den Turnaround am Ende eingehen.
So versiert im Improvisieren, dass ich das spontan hinkriege, bin ich einfach nicht.
Also leg ich mir was einigermaßen Ausgefeiltes zurecht und übe das wie ein klassisches Stück ein. Youtube: DHL Blues
Das es keine Improvisation ist, liegt wohl daran, dass die Kenntnisse um zu Improvisieren noch nicht so tief "gesackt" sind, dass man frei und intuitiv über z.B. Akkordwechsel improvisieren kann. Irgendjemand schlaues hat mal gesagt: Man lernt das (Harmonielehre, Strukturen, Skalen etc) alles um es wieder zu vergessen! Soll heißen man ist so tief durchdrungen von dieser Materie, dass man sich keinen Kopf mehr machen muss. Das zu erreichen dauert meist Jahrezehnte...bei Genies auch a bisserl weniger. Ich kann dass nur beschränkt, wenn das Material nicht zu komplex ist.
Es gab irgendwo die Frage nach konkreterem. Also falls es jemanden interessiert und in sehr komprimierter Kurzform ohne U.P.-Attitude (das funktioniert für mich und einer vielzahl anderer Musiker so oder ähnlich):
Es gibt ja nicht nur die Improvisation wie im Jazz/Rock/Pop Bereich, welche auf z.B. der Funktionsharmonielehre basiert (also Material der Skala xy passt auf Akkord (oder Akkordfolge yz). Ich improvisieren oft "nur" rhythmisch oder akkordisch und dann ergeben sich daraus wiederrum evtl. obige "Trial and Error" Kompositionen. Irgendwein Motiv, Rhythmus, Akkordfolge verfestigt sich und man hat den Beginn für eine Komposition. Wenn ich mich in der o.g. Funktionsharmonischen Improvisation befinde, dann basiert bei mir alles, aber auch alles erstmal auf der "popeligen" Dur Tonleiter. Von diesem wunderbaren Konstrukt erhalten ich durch Reduktion die Pentatonik, diese ergänze ich zur Bluestonleiter. Von Dur zu Moll ist es gerade mal ein paralleler Schritt um die Ecke, die Kirchentonleitern (Modes) sind nix anderes als die Dur-Tonleiter ab einem anderen Start und Endpunkt entsprechenden den Stufenakkorden (alle haben ihren eigenen Klang und man sollte sich da sehr gut reinhören, irgendwann hört man dann "dorisch"). Von der natürlichen Moll Skala zu harmonisch und melodisch Moll sind es auch nur kleine Änderungen in der Tonfolge, die aber fast ein ganzes Universum an neuen Akkorden (oft alterierte) und Anwendungen bereithalten. All das - plus chromatische Wendungen, eine große Zahl abgekupferter Licks aus Blues, Jazz, Fusion und auch aus Genren, die man nicht soo mag, das Lernen von vielen Songs, Motiven und Wendungen (die auch mal schrägeres beinhalten HT-GT, GT Leiter, verminderte Arps....) haben sich dann zu meinem Improvisations-Konzept oder der Basis davon gesetzt. Durch viele Drills haben sich Automatismen (Akkord/Skalen-Beziehungen) gebildet, die man auch ab und an wieder überdenken und korrigieren muss, um nicht oftmals gleich zu klingen, die aber andererseit sehr hilfreich sind "ad Hoc mitspielen" zu können.
Bei mir hat es lange gedauert, bis es so gesackt ist, dass ich für meine OHren ganz angenehm improvisieren kann ohne "Denken" zu müssen.
Aber man lernt und wächst immer weiter und es macht irre Spaß jeden Tag etwas neues zu entdecken.
PS: Ich singe viel gleichzeitig beim Spielen und bin mir nicht sicher ob das innere Ohr oder die Finger "der Boss" sind, aber mich dünkt, dass ich so zu 99% sofort spielen kann, was ich in mir höre. Klar so richtig komplexe irre schnelle Sachen gehen auch mal in die Hose, aber meist passt das alles ganz gut! Also mein letzter Tipp: Gehörbildung, Melodien, Skalen, Intervalle, Arpeggien, Licks... einfach alles Mitsingen/Summen....