in einem früheren Thread habe ich bereits über meine ersten Gehversuche als zunächst ehrenamtlicher Gitarrenlehrer berichtet. Nun haben ich meinen ersten zahlenden Schüler. In der ersten Stunde traf ich auf einen überaus sympathischen Menschen von Mitte 70, der im Grunde bereits recht gut Gitarre spielen kann (er spielt seit über 10 Jahren) sehr gut dazu singt und auch ein schönes Repertoire anzubieten hat. Bisher hat er seinen Gesang mit Strumming begleitet. Zu mir kommt er, weil er nun Fingerpicking erlernen will.
So weit so gut. Nun hat mein neuer Schüler sich das Gitarrespielen selbst beigebracht, ohne jegliche Begleitung durch einen Lehrer oder einen erfahrenen Gitarristen. Das hat, wie sich herausgestellt hat, ziemlich fürchterliche Folgen. Er hat sich was die Haltung der Gitarre sowie der Greif- und Zupfhand betrifft Dinge beigebracht und offenbar „einprogrammiert“, die ihn übel ausbremsen.
Fangen wir mit der Greifhand an. Zur Demonstration ein Foto. Zu sehen ist meine Hand. Ich versuche hier nachzuvollziehen wie er greift. Die Hand umfasst den Hals wie man vielleicht beim Kehren einen Besenstiel greifen würde. Der Daumen liegt flach unter dem Hals, die Finger greifen schräg und flach auf die Saiten. Die Handfläche berührt (und hält) den Hals der Gitarre an der nach unten geneigten Seite und dämpft so die hohe E-Saite fast ständig ab.

Die anderen Finger liegen schräg auf (bei ihm noch extremer als bei mir auf dem Foto) und dämpfen auch hier andere Saiten ab, die eigentlich durchklingen sollten. Wenn er mit der Zupfhand mal einen Ton korrekt anschlägt (dazu kommen wir noch), wird dieser von der Greifhand „getötet“. Die Kraft der Finger geht beim Greifen nicht vertikal zum Griffbrett hin sondern in beiden Achsen der Griffbrettebene zur Seite hin. Wenn man von vorne aufs Griffbrett schaut, verläuft dann die Saite beim Greifen eines Tons dann nicht gerade, sondern seitlich verzogen und der Ton wird „scharp“ (man könnte das „Random Bending“ nennen). Im Ergebnis klingt die eigentlich ordentlich gestimmte Gitarre verstimmt.
Bis hierhin - ächz!
Kommen wir nun zur Zupfhand. Mein neuer Schüler strummt nicht mit dem Plektrum, sondern mit der Hand. Er hält die Hand dabei wie ein Küchenmesser beim Gemüseschneiden:

Abschläge macht er mit der flachen Seite des letzten Fingerglieds. Dabei sind Zeige-, Mittel- und Ringfinger quasi mit einander verklebt. Aufschläge macht er mit der Seite des Daumens. Sein Strumming klingt nicht gut, funktioniert aber einigermaßen.
Wenn er nun aus dieser Handhaltung heraus picken will, kommt seine Bewegung nicht wie es sein soll aus dem Fingerglied heraus, sondern aus dem Oberarm. Das Handgelenk geht dabei nach oben. Die gezupfte Saite wird angehoben und dann losgelassen, in etwa so wie ein Bogenschütze einen Pfeil abschießen würde. Die Saite schwingt so nicht parallel zur Decke, sondern senkrecht dazu (klingt fürchterlich). Da die Finger wie beschrieben „verklebt“ sind, kann er sie nicht unabhängig voneinander bewegen. Auch hier werden Saiten die klingen sollen gedämpft.
So weit zur Bestandsaufnahme.
Ich habe mit dem Schüler besprochen, dass wir uns im ersten Schritt um seine Zupfhand kümmern wollen. Wir haben dann sein Handgelenk etwas höher gelegt, damit die Finger beim Zupfen in eine geradere Haltung kommen und seine Finger auch auseinander bekommen. So etwa nach 10 Minuten üben (leerer E-Moll, damit die linke Hand nicht greifen muss) hat er dann ein brauchbares Arpeggio hinbekommen, mit sauber ausklingenden Tönen und Fingern, die sich beim Zupfen unabhängig bewegen können.
Und nun kommt das wesentliche Problem meines Schülers (nun auch meines): wenn er eine Zeit lang wie es sein soll gezupft hat, zieht es ihn in die beschriebene, verkrampfte Haltung zurück. Er verliert die Kontrolle über den Anschlag, die Finger kleben wieder zusammen, die Saiten werden wieder wie eine Bogensehne „abgeschossen“. Zudem wandert seine rechte Schulter nach oben in eine unnatürliche Körperhaltung. Der gesamte Mensch verkrampft.
Mein Schüler hat musikalisches Talent, eine gute Auffassungsgabe, versteht sehr schnell worauf es ankommt und kann es zunächst auch gut umsetzen, aber dann ist es so wie wenn ein Dämon in ihm ihn in seine antrainierten, falschen Gewohnheiten zurückziehen will. Der Dämon (er braucht noch einen Namen) arbeitet sehr effektiv. Diesem Ungeheuer, das in der Seele meines Gitarrenschülers haust, werde ich ein Ende bereiten. Dazu bin ich fest entschlossen. Aber wie stelle ich das an?
Hat jemand von euch Erfahrung mit sowas? Wie kann man einen Menschen von solchen Verkrampfungen bzw. „einprogrammierten Erfolgsbremsen“ befreien?
Ergänzend: Dieser Thread kann auch als Warnung vor dem Vorhaben dienen, sich das Gitarrespielen als Anfänger autodidaktisch beizubringen.