Einen wunderschönen Abend wünsche ich!
Mit Erstaunen stelle ich gerade fest, dass es ja nur drei Protestler waren, die über meinen Pessimismus entsetzt sind.

Hatte den Eindruck, hier wäre ein ganzer Protestmarsch zu Gange, aber egal.
Zur Sache:
Erst einmal danke ich allen, die ihre Meinung geschrieben haben, von ganzem Herzen, auch für die Komplimente für den Text an sich natürlich, die gehen runter wie Öl, was denn sonst

– aber genauso für die lebhafte kritische Diskussion! Ich bin ganz platt, wie lebendig dieses Forum ist, damit meine ich übrigens nicht nur diesen Thread – kann das sein, dass Musiker ein ganz besonders liebenswertes Völkchen sind?

Ich hab mich jedenfalls über alle Beiträge gefreut wie ein Schneekönig, danke!
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Jetzt zum Eigentlichen, nämlich zur Textaussage.
Dass viele die als "pessimistisch" empfunden haben, hat mich schlichtweg verblüfft. So war das nämlich gar nicht gemeint! Melancholisch ja. Verloren ja – temporär. Man schreibt sich ja normalerweise was von der Seele, meist Akutes, und es sind halt ein paar Sachen in meinem Leben passiert, die ich mir von der Seele schreiben musste.
Wenn das „unnormal“ wäre, dann ist der Blues unnormal. Ok, das Ding da ist kein Blues, bringt mich aber auf die Idee, mich mal daran zu versuchen.
Mich wunderte gestern auch noch, dass nur Mario meinen Text so verstanden zu haben scheint (zumindest am Anfang, wenn ich das recht verstehe), wie ich ihn gemeint habe, aber heute sind ja noch ein paar dazu gekommen. Ich dachte gestern nämlich schon, dass das Missverständnis dann wohl doch am Text liegt, denn wenn mehrere eine Botschaft falsch verstehen, liegt der Fehler meist nicht beim Empfänger.
Vor allem die letzte Strophe. Und da jetzt mal konkret:
Martin hat geschrieben:Der Tenor des Textes (vor allem des letzen Verses) erscheint mir wie: "Nun bist du fünfzig, lass' alle Hoffnung fahren, setz' dich ruhig in's Eck und warte bis es zu Ende geht..." -
Genau andersrum war das gemeint! Ehrlich gesagt kann ich mir auch nicht vorstellen, wie anders man "den Rucksack packen" verstehen kann, als "losziehen, in die Welt gehen, leben" – was offenbar bisher nie wirklich geschafft wurde? Wiederum gebe ich zu, dass ich selber etwas unsicher war, ob diese Strophe klar ausdrückt, was ich sagen will. Ursprünglich wollte ich nämlich so was schreiben wie: „...solltest du vielleicht den Rucksack packen und deine Träume suchen gehn..." Das hab ich aber nicht hingekriegt und eben aus diesem Grund wenigstens die Zeile „das Konto, das du jetzt nicht füllst, bleibt leer“ reingenommen, ich dachte, ok, das dürfte alle Zweifel ausräumen. War offenbar nicht so.
Martin hat geschrieben:"Rucksack packen ist o.k. - aber dann auf zu neuen Ufern, und vergiss' die Abenteuer-Ausrüstung nicht... das Leben fängt gerade neu an... und ist spannend !!"
Jepp – und genau das wollte ich sagen!

Wobei ich mir allerdings die letzte Zeile trotzdem nicht nehmen lasse, die ist der Kontrapunkt und mir absolut wichtig. Einen Hurra-Optimismus fände ich nicht nur ein bisschen banal, er wäre auch unwahrhaftig, und wer keine Probleme hat, schreibt gewöhnlich keine Lieder.

(ok, ok, bitte die lyrische Fraktion um Nachsicht, so absolut meine ich’s nicht

)
Ja, das war die künstlerische Diskussion, das Wichtigste. Und da nehme ich mir neben allem Lob sehr bereitwillig die offensichtlichen Missverständnisse zu Herzen, die mir einmal mehr zeigen, wie weit ich noch vom guten Texten entfernt bin, und ebenso:
Thomas hat geschrieben:erinnert mich der text an die von b.thalheim/j.kopka.
("was fang ich an mit mir in diesen jahren, die nicht die ersten besten jahre sind? was fang ich an mit meinen kurzen haaren, die nicht so wolln wie der prinzipienlosen wind...")
Mann, SO möchte ich schreiben können! *bewundernd* *daumen hoch*
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Ich habe lange überlegt, ob ich auf die Sache an sich überhaupt eingehen soll, weil ein guter Text eigentlich für sich selbst sprechen sollte. Aber das tut meiner ja nun mal nicht, daher möchte ich doch ein paar Gedanken dazu los werden, ohne allzu sehr ins Persönliche zu gehen.
//philosophie on//
Meint Ihr, die Ihr so nachdenklich bzw. entsetzt wart über meine Gefühle, wirklich, dass es „angebrachte“ und „unangebrachte“ Gefühle gibt? Ist nicht jedes Gefühl einfach nur erst einmal, was es ist? – es ist DA. Und dann kann man entscheiden, was man damit macht.
Man kann es verdrängen.
Man kann sich davon totschlagen lassen.
Man kann es auf mancherlei Weise verarbeiten.
Ich persönlich halte die letzte Variante für die gesündeste und eine (mehr oder weniger) künstlerische Verarbeitung nicht gerade für die schlechteste Reaktion.
Nebenbei gesagt, sagt ein Gedicht allein selten etwas darüber aus, wie der Autor wirklich lebt – ich kann Euch versichern, ich bin alles andere als ein hypochondrischer Griesgram.

Aber das hier sind nun mal meine Ängste, und ich wiederum wehre mich dagegen, sie mit „positivem Denken“ niederzuknüppeln, wenn ich so gerade nun mal nicht empfinde. Sondern ich will sie ernst nehmen wie meine Freuden, denn sie sind genauso wichtig und bereichernd wie die! Das ist genauso, wie wenn ein Typ mit einem Minderwertigkskomplex jeden Morgen enthusiastisch seinem Spiegelbild versichert: „Du bist der Größte!" Das Herz glaubt es nicht, das Herz lässt sich nicht verscheißern. Und das macht am Ende alles noch schlimmer.
//philosophie off//
Zum Thema selber.
Martin hat geschrieben:Hier hat der Jugendwahn einen klaren k.o.-Sieg errungen... Nur Warum bitte ?
...
Wir sind noch verdammt jung !!
Hm... Jugendwahn? Wenn man versucht, das Alter als Alter zu akzeptieren?
Ich empfinde das eigentlich genau andersrum. Sich ewig jung fühlen zu wollen, das ist für mich Jugendwahn.
Der Witz ist nur: In Wirklichkeit bin ich ja selber von diesem Jugendwahn besessen. Ich träume von nichts anderem als noch mal endlos durch die Welt zu trampen. Als Omi. Einen Unterschied zu aufgedonnerten Omis in Miniröcken kann da nicht wirklich ausmachen...
Am Ende ist das ein echtes Nachdenken wert, danke für den Input!
Ulf hat geschrieben:Menschlich gesehen bin ich allerdings noch nicht zufrieden. Wenn das alles wirklich so ist wie du schreibst, dann tauchen in mir viele Fragen auf.
Falls die mit diesem Posting noch nicht beantwortet wurden – immer her damit!
Harald hat geschrieben:Wenn Du wirklich so fühlst, dann hast Du sicher noch net gemerkt, dass wir in einer Zeitl leben, in der die Menschen demnächst hundert Jahre alt und älter werden. Menschenskinder, Du hast grad die erste Hälfte rum und dann so am Boden wegen ner Zahl, die nur im Kopf wirklich existiert???
Na ja, mal halblang, um mich herum sterben gerade dauernd Menschen, die teilweise noch jünger sind als ich.
Ach, einfach eine ganz nüchterne Rechnung:
In meiner Familie ist noch keiner älter als 80 geworden. Ich darf also getrost davon ausgehen, dass ich noch ca. 30 Jahre habe. Wenn ich jetzt mal nachfühle, als wie lange ich meine letzten 30 Jahre subjektiv empfunden habe – dann war das NICHTS. Und getan habe ich auch nicht viel mehr. Ich meine: getan von dem, was ich wirklich tun WOLLTE.
Kennt Ihr das wirklich nicht? Sind Euch solche Zweifel und Ängste wirklich so fremd?
Dann freue ich mich natürlich für Euch und gönne Euch Eure Zufriedenheit von Herzen!
Nur... immerhin habt Ihr ziemlich heftig auf meinen Text reagiert, also scheint er ja wohl doch irgendwas in Euch angestoßen zu haben?
Harald hat geschrieben:Den find ich gut, hab ich ja schon gesagt. Aber eben nur, wenn Johannes Heesters ihn singt.
In Joopi sein' Alter würde ich wiederum eher singen: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders!"
Kerstin und saitensauber sagen am Ende mehr oder weniger das, was ich sagen wollte. Und:
saitensauber hat geschrieben:Ob wir aber darauf so reagieren müssen wie im Text, ist die andere Frage - die "wirkliche" Angie verabschiedet sich ja auch nicht von allen Projekten, sondern fängt an, wieder Gitarre zu spielen, und ist so weniger weit von H-bones Einstellung entfernt als die im Gedicht sprechende.
Stimmt exakt. Ich hab mich vor drei Jahren selbstständig gemacht, mach gerade meinen Führerschein und ein Studium zu noch mal was ganz anderem... Die Sache ist bloß die: So habe ich immer gelebt, und genau das kann irgendwann ebenso unbefriedigend werden, als wenn man ein Leben lang nur eine Sache macht: „... hast alles angefangen, nichts erfüllt.“ Dann fragt man sich früher oder später schon: War das alles? Bringst du in diesem Leben noch mal was zu Ende?
Am Ende lande ich dann aber doch unabänderlich bei Hannes Wader:
Manchmal träume ich schwer, und dann denk ich, es wär
Zeit zu bleiben und nun was ganz andres zu tun.
So vergeht Jahr um Jahr, und es ist mir längst klar,
dass nichts bleibt, das nichts bleibt, wie es war.
Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.
saitensauber hat geschrieben:Noch Eins. Die melancholische Grundstimmung des Texts hat gar vielleicht nicht so viel mit dem Älterwerden an sich zu tun; insofern liegt H-bone sicher richtig. Es scheint mehr darum zu gehen, dass die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit als nicht mehr überbrückbar erfahren wird. Das kann auch jüngeren ErdenbürgerInnen passieren (siehe Midlife-crisis), genau so ist aber denkbar, dass das Problem mit vielleicht realistischeren neuen Ansprüchen entschärft wird - oda?
Boah! Damit hast Du es eigentlich auf den Punkt gebracht. Hätte ich nicht besser ausdrücken können!
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Mario hat geschrieben:
Ich habe aber die letzte Zeile völlig anderes interpretiert, nämlich als Aufbruch bzw. als positives Weitermachen trotz der "Schläge des Lebens".
Aber vielleicht liegt das daran, dass ich sowieso bei meinem Charakter keine Chance habe lange trübselig zu sein und trotzdem meine Lieder fast immer mit viel moll schreibe
Hm... in dem Punkt sind wir uns aber ziemlich ähnlich!
Ich wollte Dir noch mal sagen, Mario, dass ich mich unheimlich freue, dass Du aus meinem sperrigen Text ein Lied machen willst! Ich bin sowas von gespannt auf die Melodie und kann mir nichts anderes vorstellen, als dass die wunderschön wird – einmal weil Du den Text ja so verstanden hast, wie ich wollte, und zum anderen, weil die Lieder, die mir von Dir angehört habe, alle wunderschön sind!
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Danke fürs Durchhalten bis hierher!
(Mir hat mal eine Journalistin gesagt: Was länger als 200 Wörter ist, gehört eingestampft, weil dann die Konzentration der Leser rapide nachlässt.

)
Und jetze auf zu neuen Ufern – ins Bett!
Angela