Beitragen könnte ich meine Erfahrung, dass "Absoluthörer" dazu tendieren, gehörte Musik inklusive der tonalen Referenz abzuspeichern. Konkret bedeutet das, dass ein Song, der im Original etwa in C-dur steht von einem Absoluthörer innerlich transponiert werden müsste, wenn er ihn in A-dur aus dem Gedächtnis reproduzieren wollte.
Wer sehr gut "relativ" hört, hat dieses Problem nicht: er nimmt die harmonischen und melodischen Strukturen eher funktional wahr und kann ein einmal verinnerlichtes Stück sofort in jeder Tonart spielen (entsprechende Fertigkeiten am Instrument vorausgesetzt).
Als Studiomusiker wirke ich häufig auch bei Choraufnahmen mit. Eine begnadete Kollegin mit absolutem Gehör ist häufig ebenfalls dabei. Gelegentlich kommt es vor, dass Stücke spontan im Studio transponiert werden, weil der Solist mit der vorgesehenen Tonart doch nicht zurecht kommt. (Dies passiert natürlich normalerweise nur dann, wenn das Playback vom Rechner kommt und leicht transponiert werden kann, ansonsten müsste man ja alle aufgenommenen Instrumente neu einspielen...)
In solchen Situationen kommt die besagte Kollegin häufig ins Schwitzen, denn sie muss dann "in Echtzeit" transponieren: es bereitet ihr Schwierigkeiten, z.B. C-dur in den Noten zu lesen und gleichzeitig d-dur zu singen.
Für alle anderen, nicht mit absolutem Gehör Begabten macht das aber überhaupt keinen Unterschied.
Man kann sich das ungefähr so vorstellen: wenn ich ein Lead Sheet für einen Song in G-dur vor mir liegen habe und den Capo in den 2. Bund klemme, macht mir das gleichzeitige Ablesen und Spielen keine Schwierigkeiten, auch wenn nun a-dur erklingt. Wer ein sehr ausgeprägtes absolutes Gehör hat, kann hingegen aufgrund des Unterschiedes zwischen Gelesenem und Gehörtem schon mal ins Schleudern kommen.
Aber wie hörte ich neulich jemanden sagen? "Alles hat seine Vor- und Schattenseiten!"
