Warum gibt es mehr Tabs als Partituren auf dem Internet ?

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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Dylan
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Beitrag von Dylan »

Ulrich Peperle hat geschrieben:
Ist Musik eigentlich irgendwas zum Lesen?
Oder sollte man sie doch lieber hören und spielen?
Das ist entweder die überflüssige Existenzbekundung eines inhaltlich Überforderten, der ansonsten nichts zum eigentlichen Thema beitragen kann, oder eine durchaus ernstzunehmende, aber eher doch sehr philosophische Frage, mit der sich z.B. Adorno intensiv beschäftigt hat.

Ich sehe das so: es gibt viele Menschen, die können Musik nur als konkete Schallereignisse erfahren, es gibt aber auch eine kleinere Gruppe von Menschen, die hinter diesen Schallereignissen abstrakte Strukturen zu erkennen vermag, und eine noch kleinere Gruppe, die über die Abstraktion schreibend und lesend reflektieren kann.
Jeder, der Musik abstrakt reflektieren kann, kann sie in der Regel auch konkret hören, aber nicht jeder, der Musik hören kann, kann das Gehörte reflektieren. "Kann" ist nicht "muss", und somit ist die Welt auch gut so, wie sie ist.

mfG
Ulrich
Ich denke dass jeder der Musik hört, diese auch auf seine eigene Weise reflektiert und somit auch konkret hört. Wenn ich deine Ausführung richtig verstehe, gehst du davon aus, dass die meisten Menschen Musik nur als Schallereigniss wie etwa eine Autohupe warnehmen weil sie dahinter keine abstrakten Strukturen zu erkennen glauben und es einem kleinen Kreis von Auserwählten vorbehalten ist, Musik zu verstehen und zu empfinden.

An Minderwertigkeitskomplexen leidest du jedenfalls nicht :D


Gruss Ludwig
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tele
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Beitrag von tele »

Hier kann man nette Stücke in Notation und Tabulatur herunterladen.Ob man damit mehr als depressive Ballettänzerinnen rumkriegt weiß ich aber nicht.
http://www.joepwanders.com/tekst.php?in ... int_taal=4
Aber mit Cat Stevens doch bestimmt (zu meiner Zeit jedenfalls)
http://www.8notes.com/scores/15931.asp
Zuletzt geändert von tele am So Okt 05, 2014 5:11 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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wuwei
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Beitrag von wuwei »

Ulrich Peperle hat geschrieben:
Ist Musik eigentlich irgendwas zum Lesen?
Oder sollte man sie doch lieber hören und spielen?
Das ist [...] eine durchaus ernstzunehmende, aber eher doch sehr philosophische Frage [...].
... Ist ja nun schon reichlich OT, aber in dem Zusammenhang vielleicht noch interessant... Ich meine, die Menschen sind halt (wen wundert's?) auch in der Art und Weise, Musik aufzunehmen, sehr verschieden.

Mir fällt da z.B. der Ausnahmepianist Alexis Weissenberg ein, der in einem Interview von sich sagte, er bereite sich ganz akribisch auf jedes Konzert vor, das er gebe. In der Praxis sehe das dann so aus, daß er sich wochen- oder gar monatelang intensiv mit den Partituren der zu spielenden Werke beschäftige, wobei das Klavier selber allerdings völlig unberührt bleibe, außer um zu überprüfen, ob er eine spieltechnisch besonders knifflige Stelle auch "drin hat".

Noch weit krasser ist das Beispiel Glenn Gould, dessen Finger oft monatelang keine Klaviertaste berührten... Einer seiner Lieblingskomponisten war R. Wagner, dessen Partituren er vermutlich zum größten Teil auswendig kannte. Er sagte, Wagners Musik sei in ihrer ganzen Schönheit und Größe nur aus der Partitur erlebbar, eine reale Aufführung, wie gut auch immer, stelle eine Minderung dar...

Herzlichen Gruß, Uwe
"A Harf’n g’hert in ka Symphonie;
i’ hab’ ma nöt helf’n könna."
(Anton Bruckner über seine 8.)
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Davanlo
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Beitrag von Davanlo »

Da von ihm gesprochen wird, Gould ist ein gutes Beispiel der Interpretationsfreiheit:
Goulds Interpretationen

Das leise, aber hörbare Mitsummen gilt, obwohl ihm selbst zufolge unbeabsichtigt, als ein Markenzeichen Goulds. Bei vielen seiner Aufnahmen ist es vernehmbar, vor allem bei seiner zweiten Einspielung der Goldberg-Variationen. Gould sagte dazu in einem Interview, er betrachte das Mitsummen eher als lästige Angewohnheit. Dennoch fürchtete er, beim Ablegen seiner Marotte könnte sein Klavierspiel darunter leiden. Umstritten war oft seine Wahl extrem schneller (und bisweilen auch langsamer) Tempi, die aber nicht auf Kosten der Transparenz und Klarheit der musikalischen Darbietung ging. Seine Spieltechnik ermöglichte ihm eine Transparenz, welche die polyphonen Zusammenhänge der Musik hervorhob. Allerdings zeigte Gould in seinen Brahms-Aufnahmen (Intermezzi, Vier Balladen) auch eine romantische Seite.
Durch seine originelle Technik versuchte er die klanglichen Möglichkeiten seines Instruments zu erweitern. Durch spezielle Arten des Anschlags vermochte er auf dem Klavier Stücke regelrecht zu orchestrieren, indem er, was auf diesem Instrument recht schwierig ist, bei polyphoner Musik die einzelnen Stimmen in unterschiedlichen „Klangfarben“ spielte.
Gould wollte in seinen Interpretationen keine romantischen Effekte erzielen. Beispielsweise spielte Gould Barockmusik streng rhythmisch, was ihm von Seiten der Kritik oftmals vorgeworfen wurde. Jedoch wirken seine Bach-Interpretationen gerade durch ihre rhythmische Intensität auf viele Hörer mitreißend. Die Aufnahmen der Werke Johann Sebastian Bachs waren es, die hauptsächlich seine bis heute anhaltende Geltung begründeten. Er tat sich aber ebenso als Interpret der Werke Ludwig van Beethovens hervor, die in seinen Einspielungen teils jugendlich-ungestüm, teils nachdenklich-stimmungsvoll erklingen. Bekannt wurde er auch als Schönberg-Interpret.
Sein respektloses Verhältnis gegenüber einigen Komponisten wie Mozart und Ludwig van Beethoven ist bekannt. So legte Gould eine umstrittene Gesamtaufnahme der Klaviersonaten Mozarts vor. Er bezeichnete Mozart als einen mittelmäßig begabten Komponisten, der eher zu spät als zu früh gestorben sei. Diese provozierende Äußerung bestätigte Glenn Gould später in einem Interview im Jahre 1976 gegenüber Bruno Monsaingeon, betonte dabei jedoch die Vorzüge des Frühwerks und bezeichnete KV 284 als seine Lieblingssonate.[12] Joachim Kaiser hielt diese Aussage im Hinblick auf Spätwerke wie der Zauberflöte für frivol, erklärte sie aber damit, dass der junge Mozart als Form-Erneuerer mutiger gewesen sei als später.[13]
Gould verstand sich nicht als rein wiedergebender Interpret, sondern vielmehr als nachschöpfender, musizierender Komponist. Dies ist letztlich auch der Grund seiner Bemühungen, vertraute Musik in oftmals ungewohnter Weise aufzuführen. Es ging ihm darum, Facetten der Musik aufzudecken, die von der Tradition vernachlässigt wurden. So erklärt sich auch seine Vorliebe für weniger populäre Musik wie etwa die von Bach, die wegen ihrer Komplexität erst spät bei breiten Hörerschichten beliebt wurde. Gould versuchte diese Musik nicht wie üblich durch interpretatorische Annäherungen an das populäre romantische Repertoire dem Publikum näher zu bringen, sondern wagte es, Barockmusik in all ihren Eigenheiten lebendig und ohne akademische Strenge, dabei stets exakt und kontrolliert, zu spielen.
rwe
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Beitrag von rwe »

Dylan hat geschrieben:Wenn ich deine Ausführung richtig verstehe, gehst du davon aus, dass die meisten Menschen Musik nur als Schallereigniss wie etwa eine Autohupe warnehmen weil sie dahinter keine abstrakten Strukturen zu erkennen glauben und es einem kleinen Kreis von Auserwählten vorbehalten ist, Musik zu verstehen und zu empfinden.
Ach ja, das "Auserwähltsein" hat nix mit Seelenheil zu tun. Das kann man lernen. - Genau wie ein Instrument.

Es gibt Musik, die IST einfach konstruiert (manchmal haben sich auch die Notenstecher ggf. in Kooperation mit dem Komponisten besondere Mühe gegeben, das ist dann auch ersichtlich). Und um eine *Komposition* (die sich auch als solche versteht) zu begreifen, muss ich den Notentext lesen, da reichen mir nicht keine irgendwelche Einspielungen von irgendwelchen anderen Leuten. Das wird auch deutlich, wenn man mal in die kritischen Berichte einer Gesamtausgabe oder guten Urtextausgabe sieht. Eine so intensive Auseinandersetzung mit einem komponierten Stück steht auch den Interpreten gut zu Gesicht bzw. es ist eine Bedingung für eine vernünftige Interpretation.

Das gilt nicht für alle Arten von Musik. Aber für manche.
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Orange
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Beitrag von Orange »

Ich kann Akkkorde lesen und ab und zu auch spielen, wenn sie nicht gerade "Dm7b5" oder so heißen.

Hilft uns das hier weiter ?
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berndwe
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Beitrag von berndwe »

@Orange. Hilft nichts, ist aber kein Grund zur Sorge.
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Orange
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Beitrag von Orange »

OK, Danke, wollte nur fragen.

Habe den Thread nicht durchgelesen, zuviel Text. Und Noten habe ich das letzte mal in der Schule
bekommen. Immer irgendwas zwischen 1 und 5, ich glaube TABS gab es damals noch gar nicht.
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Davanlo
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Beitrag von Davanlo »

Orange hat geschrieben:ich glaube TABS gab es damals noch gar nicht.
Theoretisch gesehen gab es Tabs schon lange bevor es dich gab :)

Bartolomeo Trombocino, 1521 - Ave Maria.

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tele
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Beitrag von tele »

Seit wann genau gibt es eigentlich Tabs :?:
Zuletzt geändert von tele am Mo Okt 06, 2014 11:53 am, insgesamt 1-mal geändert.
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tele
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Beitrag von tele »

Im Notenbild kann man die Intervalle ganz einfach und mit einem einzigen Blick sofort erfassen, ebenso die harmonische Struktur (die Grundlagen der allgmeinen Musiklehre vorausgesetzt)
Ich habe die Erfrahrung gemacht, dass ein Interesse an musiktheoretischen Zusammenhängen erst dann erwacht, wenn eine Kenntnis der Zusammenhänge zur Unterstützung der eigenen Kreativität von Vorteil ist, sprich bei der Improvistion oder beim Songwriting. Werkanalyse klassischer Literatur ist nicht Teil des Instrumentalunterrichts und Fächer wie Harmonielehre werden von den meisten Instrumentalmusikstudenten als notwendiges Übel hingenommen.
Somit hat der durchschnittliche Rock n'Roller mehr Ahnung von harmonischen Zusammenhängen als der durchschnittliche klassische Instrumentalist, auch wenn diese Kenntnisse vielleicht eher instinktiv sind.
Der durchschnittliche Klassiker ist zufrieden, wenn er ein Stück so gut spielen kann, dass er von seinem Lehrer gelobt wird. Harmonische Struktur hin oder her.:wink:
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wuwei
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Beitrag von wuwei »

tele hat geschrieben:[...] Somit hat der durchschnittliche Rock n'Roller mehr Ahnung von harmonischen Zusammenhängen als der durchschnittliche klassische Instrumentalist, auch wenn diese Kenntnisse vielleicht eher instinktiv sind.
Hmm... Nun weiß ich zwar weder wie der durchschnittliche Rock n'Roller, noch wie der durchschnittliche klassische Instrumentalist beschaffen ist, insofern steht Deine Argumentation auf etwas wackligen Beinen (oder gibt's dazu etwa 'ne Statistik? 8) ); sie nimmt aber durch ihre pfiffige Pointe für sich ein. :wink:

Bei meinem eigenen Anlauf, die struktuellen Geheimnisse musikalischer Werke auch theoretisch zu begreifen, hab' ich übrigens vor vielen Jahren schon die Flügel hängen lassen - als mir nämlich klar wurde, daß dies ohne Klavier und einem gerüttelt Maß an pianistischen Fähigkeiten gar nicht möglich ist.

Ich neige deshalb dazu, Harmonielehren für Gitarre etc. für Mogelpackungen zu halten, da man damit über ein harmonisches Grundverständnis (Akkordstrukur, Tonleitern, Skalen), das aber noch weit weg ist vom Erfassen der Zusammenhänge, eigentlich nicht hinauskommen kann. Die strengen Regeln des Tonsatzes sind auf einer Gitarre halt nicht wirklich nachvollziehbar- zumindest wenn man so spielt, wie ich... :oops:

Herzlichen Gruß, Uwe
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Davanlo
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Beitrag von Davanlo »

wuwei hat geschrieben:
tele hat geschrieben:[...] als mir nämlich klar wurde, daß dies ohne Klavier und einem gerüttelt Maß an pianistischen Fähigkeiten gar nicht möglich ist.
Ergeht mir auch oft so ... Klavier ist leider zu präsent in der Harmonielehre.
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RB
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Beitrag von RB »

"Klavier ist leider zu präsent in der Harmonielehre" könnte mir einmal jemand erklären, was dieser Satz bedeuten soll ?
Ulrich Peperle
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Beitrag von Ulrich Peperle »

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Zuletzt geändert von Ulrich Peperle am Sa Apr 09, 2016 2:28 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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