Guten Morgen,
es gibt Stahlsaiten, die gerade für Konzertgitarren gedacht sind. Die haben eine etwas höhere Zugkraft als Nylons mit High-Tension. Ich habe das mal ausprobiert und ein Review dazu geschrieben: es gibt Vorteile und Nachteile. Welch eine Überraschung! Für mich haben die Nachteile deutlich überwogen.
in einer Parallelwelt geschrieben am 11.10.2008
nolinas hat geschrieben:
Im Zuge der bei mir momentan herrschenden Ausprobierwut habe ich mir Stahlsaiten für Konzertgitarren gekauft. Meine Wahl fiel auf die billigsten, die wo im Netz zu fangen waren und in meine 25 Euro Bestellung gerade noch so hineinpassten. Es sind die Pyramid Acoustic Guitar Strings, N. 304 (0.011 0.014 0.020 0.025 0.035 0.047).
Behandliches
1. Saitenaufziehen
Der erste Akt des Versuches gestaltete sich etwas schwierig. Am Ballende ist der Draht noch ein ganzes Stück um die Saite gewickelt und diese dicke Wicklung passte nicht durch das Loch meines Knüpfblockes. Zumindest nicht bei den Saiten g-E. Diese musste ich, wie bei den Nylonsaiten, leicht verschlingen und auf Zug festsetzen. Gerade das Verschlingen artete in eine echte Geduldsprobe aus, denn die Stahlsaiten sind eh schon etwas störrisch und die dicke Wicklung an ihrem Ende vereinfachte die Angelegenheit nicht wirklich (-).
Die h´und die e´Saite passten aber problemlos durch ihren jeweiligen Tunnel im Knüpfblock und stoppten erst am Ballende. Prima! Das war einfach.
2. Stimmen
Ein eindeutiger Vorteil liegt darin, dass die Saiten nach dem Aufziehen sehr schnell stimmstabil waren. Innerhalb einer Stunde und ein paar Nachstimmvorgängen, war das Thema erledigt und ich konnte spielen (+). Ein Manko ist allerdings auch, dass die Stahlsaiten viel empfindlicher auf Drehbewegungen an der Mechanik reagieren als die Nylons. Beim Nachstimmen ist echtes Feingefühl gefragt (-).
Gehörliches
1. Zunächst ein paar Akkorde gestrichen, die üblichen Verdächtigen halt. Sehr interessanter Klang, zumindest wenn man so wie ich bisher nur Konzertgitarre gespielt hat, silberner, heller, metallischer (+). Nun das ist sicher keine große Überraschung.
Das Nachschwingverhalten ist wesentlich ausgeprägter als mit den Nylons, jedenfalls im Vergleich zu denen, die ich bisher aufgezogen hatte. Vor allem die g und die h´-Saite schwingen deutlich länger nach, auch bei gegriffenen Tönen (+).
Dieser Aspekt hat mir sehr gefallen und verleitet sehr zum Spielen.
2. Haha, ich kann jetzt Bendings (+). hihi Jedenfalls solche, die weiter als nur einen Halbton gehen und bei denen man nicht mit dem Finger für das bisschen Ausbeute unter die drei höheren Saiten kriechen muss.
3. Leider sind die Stahlsaiten nicht für die Saitenlage einer Konzertgitarre (E-4,8mm, e´- 4mm) gedacht. Bei gegriffenen Tönen verschiebt sich die Tonhöhe spürbar nach oben. Mein Messgerät (Korg TM-40) zeigte ab der 3 Lage min. 25 cent an, also einen Viertelton zuviel. Das hört man deutlich, jeder, selbst ich (-).
Hinzu kommt noch, dass auch die Saitenführungen im Sattel für die g, h´und e´Saite eigentlich zu breit sind. Der Auflagepunkt der Saiten ist also nicht am „Ausgang“ der Saitenführung sondern irgendwo davor im Verlauf der Saitenführung. Das verbessert die Intonation sicherlich auch nicht.
Also hätte ich eigentlich schon wieder an meiner Stegeinlage rumschleifen müssen, aber dazu habe ich momentan echt keine Lust. Und ich werde einen Teufel tun, am Sattel rumzufummeln. Doch ich vermute mal, selbst bei optimierter Saitenlage, gäbe es deutliche griffbedingte Tonhöhenverschiebungen. Soviel Kompensation kriege ich wohl kaum auf der Konzertgitarre hin.
Haltbarkeit
Die Saiten sind jetzt 5 Stunden drauf und noch ist alles heile, vor allem meine Gitarre. Wink Da hat auch nichts geknackt oder sonstwie hässliche Geräusche gemacht. Mehr Aussagen kann ich dazu bisher nicht machen.
Fazit
Pluspunkte
Sehr schnelle Stimmstabilität, Ungewohnter Klang, laaaanges Sustängggggg im Diskant, Bendings mit der Konzertgitarre, keine bleibenden Schäden am Knüpfblock durch eingeschnürte Saiten
Minuspunkte
Fummeliges Befestigen der Basssaiten, Fummeliges Nachstimmen, bei normaler Saitenlage deutliche Tonhöhenverschiebung um bis zu 30 cent in den höheren Lagen
Die Saiten bleiben sicherlich nicht bis zum Ende ihrer natürlichen Haltbarkeit drauf. Aber der andere Klang ist schon irgendwie verlockend, ein bisschen lasse ich sie noch drauf, nur noch ein bissken. Vor allem wenn ich daran denke, wie lange ich bei Nylons auf die Stimmstabilität warten muss. Rolling Eyes
Erstmal bleiben die druff.
Freundliche Grüße
Daniel
Edit: 14. Oktober
Die Stahlsaiten haben auch keinerlei Spuren am Knüpfblock hinterlassen. Die Knoten bei den umwickelten Saiten waren nicht schädlicher als bei normalen Saiten. Die beiden dünnen Stahldrähte hatten sowieso durch die Löcher im Knüpfblock gepasst und wurden allein durch die Ballenden gehalten. Also, keine bleibenden Schäden (+).
Die auf dem Foto abgebildete Gitarre hat meines Erachtens keinen schräggestellten Steg. Damit entfällt von vornherein jede Kompensation.
Die Akkorde werden sich schräg anhören, Picking wird sich schräg anhören. Wann immer offene Saiten mit gegriffenen Saiten zusammen klingen sollen, wird sich das schräg anhören.
Fazit:
1. unkompensierte, erhebliche Tonhöhenverschiebung aufgrund bedeutend höherer Saitenlage,
2. Deutlich stärkere Auswirkung von unsauberem Greifen. Das ist sofort irgendwie Bending und hörbar.
3. Deutlich stärker hörbare Auswirkung eines unsauber gearbeiteten Sattels. Da die Saiten erheblich dünner sind, entspricht der Auflagepunkt am Sattel nicht unbedingt seinem Soll. Dann wäre die Mensur fälschlicherweise zu lang --> die Saite müsste leer beim Stimmen stärker gespannt werden --> gegriffene Töne klingen dann noch schiefer. Is so!
Wenns noch Fragen gibt, dann fragt! Schönes Wochenende
Daniel
"Ach das dumme Gleichgewicht, wenn mans braucht, dann hat mans nicht" (Zitat aus Alarm im Kasperletheater)
"Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung wechseln können" (Francis Picabia)