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2-19 O 62/08
Landgericht
Frankfurt am Main
Im
Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
-...
gegen
....
hat das Landgericht
Frankfurt am Main, 19. Zivilkammer, durch
Richter am Landgericht Dr. G. als Einzelrichter
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2008
für
Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits zu je 1/2.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 %
des aufgrund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Kläger waren Inhaber
von 1.010 Stück Anteilen eines F.-Aktienfonds. Im Dezember 2006 empfahl
Herr X, ein Anlageberater der Beklagten, den Klägern, ihre Anteile
an dem Fonds zu verkaufen und schlug ihnen die Neuanlage des Erlöses vor.
Am 15. Dezember 2006 kam es deshalb zu einem Beratungsgespräch mit den Klägern.
Dabei empfahl Herr X den Klägern den Erwerb eines Zertifikats, bezeichnet
als „XY“, mit dem auf das Verhältnis des DJ EURO STOXX Select Dividend
30-Index, der die 30 dividendenstärksten Titel Europas beinhaltet, zu dem
DAX-Index spekuliert wurde. Emittentin des Zertifikats war die Z,
Garantiegeberin die XZ.
Herr X wies in dem Gespräch nicht ausdrücklich auf ein Totalverlustrisiko
hin. Er gab den Klägern zu dem Zertifikat eine Verkaufsunterlage mit. Wegen
der Einzelheiten der Verkaufsunterlage und der darin enthaltenen Bedingungen
des Zertifikats wird auf die Verkaufsunterlage „Der neue XY“ der
Beklagten verwiesen (Bl. 39 ff. d.A.).
Am 18. Dezember 2006 verkauften die Kläger die Anteile an dem F.-Fonds für
12.362,40 €. Am 28. Dezember 2006 erteilten sie die Order für den Kauf
von 12 Stück des Zertifikats zum Preis von je 1.000 €. Sie erhielten die
Papiere zum Ablauf der Zeichnungsfrist am 12. Januar 2007.
Die XZ ist seit September 2008 insolvent, ebenso in der Folge auch die Z.
Ein Handel mit dem Zertifikat findet nicht mehr statt, es ist wertlos
geworden.
Die Kläger zahlten an ihre jetzigen Bevollmächtigten an vorgerichtlichen
Anwaltskosten 837,52 €.
Die Kläger behaupten, sie hätten eine sichere und jederzeit liquide
Kapitalanlage gewünscht. Herr X habe ihnen erklärt, es handele sich um
eine sichere Kapitalanlage, ein Verlust sei völlig ausgeschlossen. Die Kläger
meinen, durch die Beklagte grob fehlerhaft beraten worden zu sein. Es habe
sich tatsächlich nicht um ein sicheres Finanzprodukt gehandelt. Sie hätten
über das Totalverlustrisiko aufgeklärt werden müssen. Außerdem sei das
Zertifikat auch nicht jederzeit veräußerbar. Die Verkaufsunterlage
informiere über die Entwicklung der Basiswerte in der Vergangenheit nur
unzureichend.
Weiter seien sie nicht ausreichend über Kosten und Gebühren aufgeklärt
worden. Überhaupt sei die Verkaufsunterlage als Informationsquelle
unzureichend, der darin enthaltene Hinweis auf den Prospekt genüge nicht.
Die Kläger behaupten, sie hätten die Fondsanteile in jedem Fall verkauft.
Wären sie zutreffend und vollständig über das Zertifikat informiert
worden, hätten sie dieses jedoch nicht erworben.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Übertragung von 12
Zertifikaten der Z, Kenn-Nr./ISIN XXXXX an sie als Gesamtgläubiger €
12.000,-- nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juni 2007 zu
zahlen; ergänzend ihnen die Kosten für die außergerichtlich entstandenen
Kosten in Höhe von € 837,52 nebst 5 % über dem Basiszinssatz seit
21.04.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, Herr X habe
bei dem Beratungsgespräch über etwa mit dem Zertifikat verbundene Risiken
aufgeklärt, abgesehen von dem Totalverlustrisiko.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die
Beklagte wegen des Erwerbs des XY-Zertifikats. Eine fehlerhafte Beratung der
Beklagten ist nicht ersichtlich. Zwischen den Parteien ist ein
Beratungsvertrag jedenfalls über die Anlage des Erlöses aus der Veräußerung
des F.-Fonds zustande gekommen. Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank
oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage
eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin
liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrags stillschweigend durch
die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen (BGHZ 123, 126, 128). Ob
sich der Beratungsvertrag auch auf die Veräußerung des F.-Fonds
erstreckte, kann dahinstehen, da die Kläger insoweit keine Vorwürfe gegen
die Beklagte erheben.
Aus dem Beratungsvertrag war die Beklagte zu einer anleger- und
objektgerechten Beratung der Kläger verpflichtet (vgl. BGHZ 175, 276, 284
f.). Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte dieser Anforderung nicht
nachgekommen wäre.
Eine Beratung ist anlegergerecht, wenn die empfohlene Anlage auf das
Anlageziel des Kunden und dessen persönliche Verhältnisse zugeschnitten
ist (vgl. BGHZ 123, 126, 129; BGH NJW-RR 2008, 1365, 1369). Bereits nach dem
eigenen Vortrag der Kläger über ihre Anlagewünsche entsprach das
empfohlene Zertifikat diesen Anforderungen. Es war frei veräußerbar, da es
einen Börsenkurs hatte. Es bot auch eine verhältnismäßig sichere Anlage,
da abgesehen von dem Bonitätsrisiko der Emittentin ein Verlust nur
eintreten konnte, wenn bei drei aufeinander folgenden Terminen in den Jahren
2008, 2009 und 2010 die Entwicklung des DJ EURO STOXX Select Dividend
30-Index jeweils schlechter als die Entwicklung des DAX-Index sein würde
und im Jahr 2011 die Performance des DJ EURO STOXX Select Dividend 30-Index
mehr als 40 % unter der des DAX-Index liegen würde, insgesamt ein
unwahrscheinliches Szenario. Das Bonitätsrisiko der Emittentin und der
Garantiegeberin, der US-amerikanischen Investmentbank XZ und ihres
Tochterunternehmens Z, war aus damaliger Sicht Ende des Jahres 2006 vernachlässigbarer,
theoretischer Natur.
Die Beratung der Kläger war auch objektgerecht. Eine objektgerechte
Beratung erfordert, dass der Anleger über die für die Anlageentscheidung
bedeutsamen Umstände wahrheitsgemäß, richtig und vollständig aufgeklärt
wird (BGHZ 123, 126, 129; BGH NJW 2006, 2041). Dies ist hier geschehen,
wobei zu beachten ist, dass die Aufklärungspflicht auch durch die Übergabe
von schriftlichen Unterlagen erfüllt werden kann (vgl. BGH NJW-RR 2006,
1345, 1346). Hier wurde seitens der Beklagten die Verkaufsunterlage übergeben,
aus der sich in komprimierter Form die wesentlichen Informationen über das
Zertifikat ergaben. Soweit danach noch Unklarheiten blieben, verwies die
Verkaufsunterlage, der Vorschrift des § 15 Abs. 2 WpPG entsprechend, auf
den regulären Prospekt und gab an, wo dieser bezogen werden konnte (S. 14;
Bl. 46 d.A.). Außerdem hatten die Kläger die Möglichkeit, Fragen an den
Anlageberater der Beklagten zu richten.
Der Anlageberater der Beklagten durfte die Kläger freilich nicht mündlich
falsch informieren. Die behauptete Äußerung, ein Verlust sei bei der in
Rede stehenden Kapitalanlage völlig ausgeschlossen, wäre bei wörtlichem
Verständnis eine Falschinformation gewesen. Für die Kläger ersichtlich
war diese Äußerung, wenn sie denn so gefallen sein sollte, aber nicht als
Behauptung, ein Verlust sei theoretisch vollkommen ausgeschlossen, zu
verstehen, sondern als subjektive Einschätzung des Anlageberaters, der
einen Verlust nach den Emissionsbedingungen für sehr unwahrscheinlich
hielt. Diese durchaus vertretbare Beurteilung stellte keine Falschberatung
dar. Im Übrigen haben die Kläger für die behauptete Äußerung des
Anlageberaters auch keinen tauglichen Beweis angeboten.
Die übrigen relevanten
Informationen ergaben sich aus der Verkaufsunterlage.
Auf S. 5 (Bl. 41 d.A.) enthält die
Verkaufsunterlage eine grafische Gegenüberstellung der historischen
Entwicklung der Basiswerte des DJ EURO STOXX Select Dividend 30 und des DAX
der letzten acht Jahre, verbunden mit der Anmerkung, dass historische Daten
keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung der Indizes zuließen.
Diese Information genügte als Ausgangspunkt für gegebenenfalls weitere
Fragen.
Die Kläger wurden auch in
ausreichender Form über das Totalverlustrisiko der Anlage informiert. In
Fn. 2 auf S. 5 der Verkaufsunterlage (Bl. 41 d.A.) wird darauf hingewiesen,
dass die Rückzahlung am Ende der Laufzeit von der Bonität der Emittentin
bzw. Garantin abhängt. Dieser Hinweis wird in Fn. 5 auf S. 11 der
Verkaufsunterlage nochmals wiederholt. Die Möglichkeit von Verlusten
aufgrund der Entwicklung der Indizes ergibt sich bereits aus den Bedingungen
des Zertifikats, wie oben beschrieben. Auf S. 14 der Verkaufsunterlage (Bl.
46 d.A.) wird gleichwohl nochmals ausdrücklich auf diese Möglichkeit
hingewiesen. Diese Informationen waren ausreichend, insbesondere auch im
Hinblick auf die Möglichkeit einer Insolvenz von XZ.
Es besteht keine generelle Pflicht
zur Aufklärung über die Möglichkeit eines Totalverlustes (OLG Frankfurt
v. 15.10.2008 – 23 U 348/05 –). Unter welchen Voraussetzungen ein
solcher Hinweis gegeben werden muss, richtet sich nach den Umständen des
Einzelfalls, wobei der Hinweis umso deutlicher und unmissverständlicher
sein muss, desto realer die Gefahr eines tatsächlich eintretenden
Totalverlustes ist. Wie bereits oben angemerkt, war es im Dezember 2006,
einige Zeit vor Ausbruch der sogenannten „Subprime“-Krise, eine
ausgesprochen fernliegende Möglichkeit, dass die große renommierte
Investmentbank XZ insolvent werden könnte. Dementsprechend bedurfte es auch
keiner besonders hervorgehobenen Warnung in der Verkaufsunterlage, so dass
die kurzen Hinweise auf die Abhängigkeit der Rückzahlung von der Bonität
des Emittenten und Garantiegebers ausreichend waren.
Aus der Verkaufsunterlage ergab sich
auch, dass der Erwerb des Zertifikats mit Kosten und Gebühren verbunden ist
(S. 14 = Bl. 46 d.A.). Ebenso wurde darauf hingewiesen, dass es möglich
ist, dass die „Vertriebsgesellschaft“ das Zertifikat zu einem
reduzierten Ausgabepreis erwirbt oder dass sie eine Vertriebsgebühr erhält,
die von dem Kunden zusätzlich zu weiteren Verkaufsprovisionen und
Verkaufskosten getragen werden müssen (S. 15 = Bl. 46 d.A.). Sofern die Kläger
aufgrund dieser Hinweise nähere Informationen wünschten, etwa über die
genaue Höhe der Kosten oder weil sie die Objektivität der Beratung der
Beklagten durch an diese gezahlte Provisionen gefährdet sahen, hatten sie
auch hier die Möglichkeit zu weiteren Nachfragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§
91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2
ZPO.
Neuer Vortrag in dem nach Schluss der
mündlichen Verhandlung eingegangenen und nicht nachgelassenen Schriftsatz
der Kläger vom 30.10.2008 kann gemäß § 296a ZPO nicht mehr berücksichtigt
werden. Der Schriftsatz gibt keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der
Verhandlung.
Streitwert: 12.000 €.
Dr. G.
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