Amtsgericht Leipzig
115 C 3759/08
Verkündet am: 10.11.2008
JOSin.
Urkundsbeamt.d.Geschäftsst.
IM
NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
-
Klägerin –
Prozessbevollmächtigte:
-
Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
wegen Forderung
-
2 -
Aktenzeichen:
115 C 3759/08
Seite
2
hat das Amtsgericht
Leipzig durch
aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 21.10.2008
für
Recht erkannt:
1.
Die Beklagte wird
verurteilt, an die Klägerin 3.887,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.05.2008 zu
zahlen.
2.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.
Das Urteil ist gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der
Klägerin wird nachgelassen, Sicherheit auch durch eine unbedingte,
unbefristete und unwiderrufliche Bürgschaft eines im Inland oder Europäischen
Union als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstitutes einer
deutschen Großbank oder eines inländischen Kreditversicherers zu stellen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt
Schadenersatz aus einem Beratungsfehler der Beklagten.
Die
Tochter der Klägerin beabsichtigte eine 3-jährige Ausbildung auf einer
Privatschule zu machen, für die Gebühren in Höhe von ca. 23.000,00 EUR
anfallen sollten. Ein Betrag in Höhe von 30.000,00 EUR wurde daher von
Verwandten der Tochter zur Verfügung gestellt. Am 22.12.2006 begab sich die
Klägerin und ihr Ehemann, der Zeuge …, zur Niederlassung der Beklagten am
Augustusplatz in Leipzig in der Absicht, die 30.000,00 EUR als Festgeld
anzulegen. Die Beklagte warb zu diesem Zeitpunkt mit einem Zins in Höhe von
4,5 %. Die Klägerin und ihr Ehemann wurden an eine Beraterin, die Zeugin
… vermittelt. Die Zeugin erstellte ein Risikoprofil mit dem Ehepaar, bei
dem folgende Fragen wie folgt beantwortet wurden:
- Bei
meinen Anlagen steht ausschließlich
die
Sicherheit im Vordergrund:
stimme voll zu
- In
Geldangelegenheit gehe ich nur
ungern
Risiken ein:
stimme voll zu
-
Ich möchte gerne höhere Redentien er-
zielen
und bin dafür bereit, Risiken
zu
akzeptieren:
stimme nicht zu
-
Auch
wenn nur ein Teil meines Vermögens
verloren
geht, würde mich das stark belasten: stimme
voll zu
Die Zeugin empfahl der Klägerin 10.000,00 EUR als Festgeld anzulegen
und für den Restbetrag in Höhe von 20.000,00 EUR ein "Premium Express
Defensiv VIII Zertifikat" zu erwerben. Hierbei handelt es sich um eine
Finanzinnovation mit einem schwankenden Kurs, der an den EURO STOXX 50
gekoppelt ist. Falls der Index währen der Laufzeit über 50 % fällt, entfällt
die Kapitalgarantie zum Ende der Laufzeit und es können erhebliche Verluste
eintreten. Nur wenn der Dow Jones EURO STOXX 50 zu den Beobachtungsterminen,
welche jeweils am 21.01. eines Kalenderjahres, erstmals am 21.01.2008, sind,
über dem Stand des Indexes zum Zeitpunkt des Erwerbes des Zertifikates
liegt, besteht ein Rückgaberecht des Anlegers. Die Anlage ist nicht durch
den Einlagesicherungsfonds garantiert.
Die
Klägerin erwarb das Zertifikat und zahlte am 12.01.2007 20.400,00 EUR ein.
Zum Beobachtungstermin am 21.01.2008 war der Kurs gefallen, so dass ein Rückgaberecht
nicht bestand. Die Klägerin benötigte jedoch einen über das Festgeld in Höhe
von 10.000,00 EUR hinausgehenden Betrag, so dass sie das Zertifikat am
06.03.2008 für 17.928,00 zurückgab.
Die
Klägerin hat ihre Ansprüche gegen die Beklagte mit Schreiben vom
15.02.2008 geltend gemacht. Die Beklagte hat Ansprüche mit Schreiben vom
29.02.2008 abgelehnt. Daraufhin hat die Klägerin den Prozessbevollmächtigten
beauftragt, der die Beklagte am 25.03.2008 nochmals erfolglos zur
Schadenersatzleistung aufgefordert hat.
Die
Klägerin trägt vor, sie habe der Zeugin geschildert, dass sie das Geld für
die 3-jährige Ausbildung ihrer Tochter ab September 2007 benötige und
dieses sukzessive über den Zeitraum der Ausbildung verbraucht werden soll.
Sie sei über die Risiken des Zertifikates nicht aufgeklärt worden. Die
Zeugin
habe
gesagt, da sie zunächst nicht die volle Summe benötige, könne sie das
Geld auch besser anlegen und 7 % Zinsen verdienen. Auch auf mehrfache
Nachfrage, ob es sich auch um eine sichere Anlage handele, habe die Zeugin
dies bejaht. Sie habe betont, dass es sich um eine sichere Anlage handele.
Sie habe auch weder eine Produktbeschreibung noch sonstige Unterlagen
erhalten.
Die Klägerin beantragt,
die
Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.887,20 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit
zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die
Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin den Wunsch geäußert
habe, 30.000,00 EUR als Festgeld anzulegen und diese sukzessive verbrauchen
zu wollen. Die Klägerin habe lediglich auf die Möglichkeit der
Festgeldanlage hingewiesen. Die Zeugin habe auf die steuerlichen Belange
hingewiesen, die im Rahmen eines Anlagegeschäftes beachtet werden sollten.
Insbesondere habe sie die Klägerin darauf hingewiesen, dass bei einer
Festgeldanlage ein Zinsgewinn im Rahmen des zu erteilenden
Freistellungsauftrages Berücksichtigung finden würde, mit der Folge, dass
der Zinsgewinn zu versteuern sei. Die Zeugin habe daraufhin die Anlagemäglichkeit
des Zertifikates erläutert. Das Risikoprofil habe ergeben, dass die Klägerin
Informationen bis zur sogenannten
Risikoklasse 5 wünsche. Die Zeugin habe auch detailliert über die Risiken
aufgeklärt, wie z.B., dass eine vorzeitige Rückzahlung bereits nach einem
Jahr möglich sei, bisher auch gute Erfahrungen mit solchen vorzeitigen Rückzahlungen
gemacht wurden, sie jedoch nicht garantieren könne. Keinesfalls habe sie 7
% garantiert. Die Klägerin habe auch keine Notwendigkeit dargelegt für den
Verkauf des Zertifikates, so dass die Geltendmachung des Differenzbetrages
nicht schlüssig dargelegt sei. Auch könne der Zinsbetrag in Höhe von
1.055,70 EUR nicht verlangt werden, da die Beklagte gesetzlich verpflichtet
sei, den Zinsgewinn im Rahmen des erteilten Freistellungsauftrages
unmittelbar steuerlich zu berücksichtigen.
Das Gericht hat die Klägerin persönlich angehört. Darüber hinaus
wurde Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen
und 1 . Wegen des Ergebnisses der Anhörung der Beweisaufnahme wird
auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 19.08.2008 und 21.10.2008
verwiesen.
Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig
und begründet.
Die Klägerin hat
Anspruch auf Zahlung von 3.887,20 EUR aus §§ 280, 249 Abs. 1, 252 BGB. Es
liegt ein Beratungsfehler vor.
Die Klägerin und der
Zeuge haben glaubhaft dargelegt, dass sie der Zeugin gesagt haben, dass
das Geld für die 3-jährige Ausbildung der Tochter angelegt und daher
sukzessiv verbraucht werden solle. Dies bestätigte auch die Zeugin
teilweise. Alle Beteiligten sagten auch übereinstimmend aus, dass die Klägerin
geäußert hat, das Geld als Festgeld anlegen zu wollen. Die Zeugin hat ein
Risikoprofil erstellt. Die Zeugin selbst sagte aus, dass aufgrund des
Risikoprofils feststand, dass die Eheleute sehr sicherheitsorientiert und
sehr konservativ sind. Sie hatte daher die Einlassung der Klägerin und die
Aussage des Ehemannes, dass sie eine sichere Anlage wollten, vollumfänglich
bestätigt. Dennoch hat die Zeugin das Zertifikat angeboten. Dies begründete
sie damit, dass sie auf die steuerlichen Belange zu sprechen gekommen sei,
da die Einlage steuerfrei sei, soweit das Geld für mindestens 1 Jahr
angelegt werde. Viele Leute würden auch bei einem sicherheitsorientierten
Risikoprofil mehr Risiko eingehen, wenn auf den steuerlichen Vorteil
hingewiesen würde. Ein steuerlicher Vorteil setzt jedoch voraus, dass der
Sparerfreibetrag der Eheleute überhaupt ausgeschöpft ist. Bei einer Anlage
über 30.000,00 EUR bei 4,5
Zinsen wäre der Sparerfreibetrag von 1.602,00 EUR nicht ausgeschöpft
gewesen. Die Zeugin sagte, dass sie nicht mehr wisse, ob sie nach weiteren
Anlagen bzw. nachgefragt habe, ob der Freibetrag ausgeschöpft sei. Nach
Aussage der Zeugin war der angebliche Steuervorteil jedoch gerade der Grund
für eine höhere Risikobereitschaft. Die Aussage der Zeugin ist daher in
sich nicht schlüssig, so dass ihr nicht gefolgt werden kann. Zu den
einzelnen Hinweisen, Erläuterungen und Aufklärung im vorliegenden Fall hat
die Zeugin auch keine konkrete Aussage getroffen. Sie bekundete lediglich,
dass sie jeweils eine ausführliche Aufklärung tätige und sie dies auch
sicherlich vorliegend getan habe. Diese Aussage ist jedoch nicht geeignet,
die glaubhaften Aussagen der Klägerin und des Zeugen zu widerlegen. Die
Aussage des Zeugen stimmte mit der Einlassung seiner Ehefrau überein. Das
Gericht ist daher der Überzeugung, dass das Zertifikat als eine sichere
Anlage mit einem höheren Prozentsatz als das Festgeld dargestellt,
zumindest eine Sicherheit suggeriert wurde. Dies ist auch teilweise der
Aussage der Zeugin selbst zu entnehmen, die bekundete, dass in den letzten
Jahren das Zertifikat jedes Jahr fällig geworden sei. Nachdem der Grund der
Anlage bekannt und das Risikoprofil erstellt war, hätte das Zertifikat
nicht empfohlen werden dürfen. Dies stand bereits dem Wunsch der Kläger
entgegen, die zum einen eine sichere Anlage und zum anderen einen
sukzessiven Verbrauch begehrten. Das Zertifikat im Zusammenhang mit einem
steuerlichen Vorteil zu verkaufen, hätte steuerliche Nachteile
vorausgesetzt, die offensichtlich nicht geprüft wurden. Aufgrund dieser
Umstände folgt das Gericht auch den Aussagen der Klägerin und des Zeugen,
die übereinstimmend aussagten, dass sie über das Risiko in keinster Weise
aufgeklärt wurden. Es liegt damit ein Beratungsfehler vor. Das Gericht
verkennt nicht, dass die Klägerin hätte bei einem Zinssatz von 7 % ein
Risiko vermuten müssen. Sie hat jedoch, ebenso wie der Zeuge, glaubhaft
bekundet, dass sie mehrmals nachgefragt habe, ob die Anlage auch wirklich
sicher sei. Auch trifft es zu, dass der Klägerin mit Schreiben vom
19.01.2007 der Abschluss des Erwerbes bestätigt und diesem Schreiben die
Risiken zu entnehmen sind. Der Kauf war jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits
aufgrund eines Beratungsfehlers abgeschlossen. Eine nachträgliche Aufklärung
steht dem Anspruch nicht entgegen.
Die
Klägerin hat daher Anspruch auf Schadenersatz.
Insoweit
ist zunächst der Kursverlust in Höhe von 2.472,00 EUR zu ersetzen. Es
handelt sich um einen adädquat verursachten Schaden. Unerheblich ist in
diesem Zusammenhang der Grund der Veräußerung. Der Klägerin steht es
aufgrund der Falschberatung frei, die Anlage zu verkaufen.
Die Klägerin kann darüber hinaus gemäß
§ 252 BGB die entgangenen Zinsen für eine Anlage auf einem Festgeldkonto
in Höhe von 4,5 % vom 12.10.2007 bis 06.03.2008 aus einem Betrag in Höhe
von 20.400,00 EUR verlangen. Dies entspricht dem geltend gemachten Betrag in
Höhe von 1.055,70 EUR. Insoweit liegt auch ein schlüssiger Vortrag vor.
Soweit die Beklagte insoweit auf einen möglichen steuerlichen Abzug
hinweist, ist ein solcher nicht ersichtlich.
Die
Klägerin hat auch Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten in Höhe
von 359,50 EUR aus §§ 280, 249 BGB. Die Inanspruchnahme eines
Rechtsanwaltes war aufgrund der fehlerhaften Beratung erforderlich und ist
im Rahmen des Schadenersatzanspruches zu ersetzen.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf
3.887,20 EUR festgesetzt.
Richterin am Amtsgericht
|