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Veröffentlichungen 2.

Unter Beteiligung von Mitgliedern des Thüringer Landtages und des Thüringer Innenministers fand am 24.09.2001 ein weiteres Fachgespräch zum Thema "Waffenrechtsnovelle" statt. Initiator war der Wartburg-Schützenkreis.

Das Treffen wurde mit dem folgenden Eingangsreferat von Rechtsanwalt Reinhard Becker eröffnet.

 

Referat zur Novelle des Waffenrechts
zur Eröffnung des Fachgesprächs Waffenrecht
am 24.09.2001
(c) Becker & Becker 2001

 

Anwesende

1.    Thüringer Innenminister

2.    CDU - Abgeordneter des Th. Landtags Wahlkreis Eisenach

3.    Kreisschützenmeister

4.    stellvertretender Kreisschützenmeister


Sehr geehrter Herr Minister, sehr geehrte Anwesende,

ich danke Ihnen, daß Sie sich erneut bereit gefunden haben, an einem Fachgespräch über eine Novellierung des deutschen Waffenrechts teilzunehmen. Ich danke insbe­sondere dem Innenminister des Freistaats, Herrn Köckert, für seine Bereitschaft, seine Kenntnisse durch das Gespräch mit den Betroffenen einer solchen Novelle zu ergänzen und zu vertiefen. Danken möchte ich weiter dem Kreisschützenmeister des Wartburg-Schützenkreises für seine Engagement, ein solches Fachgespräch zu initiieren und die organisatorischen Voraussetzungen für das Zustandekommen zu treffen.

Wir haben heute konkreteren Anlaß, über eine Waffenrechtsnovelle zu sprechen, als anläßlich unseres letzten Treffens. Als wir uns das letzte mal getroffen haben, gab es einen sogenannten "Referentenentwurf'. Nun aber gibt es einen sogenannten "Kabinettsentwurf', einen Gesetzesentwurf also, den das Bundeskabinett informell verabschiedet hat, womit gemeint ist, daß das Bundeskabinett ihn in der gebilligten Fassung dem förmlichen Gesetzgebungsverfahren zuführen will. Der zeitliche Ablauf dieses Treffens hätte auch deshalb gut gepaßt, weil ursprünglich eigentlich am 27.10.2001 der Bundesrat zusammentreten und unter anderem den jetzt vorliegenden Waffenrechtsentwurf behandeln wollte.

Genau betrachtet haben wir es inzwischen mit einer Vielzahl von "Referenten-Entwürfen" und "Kabinetts-Entwürfen" zu tun, nämlich

a)    dem Referentenentwurf vom 01.04.1998

b)   dem Referentenentwurf vom 20.07.2000

c)    den Referentenentwurf vom 25.02.2001

d)   dem Kabinettsentwurf vom 11.07.2001

e)    und demjenigen von Anfang August 2001

Nachdem ich anläßlich unseres ersten Zusammentreffens unter Vorlage amtlich ermittelter Kriminalitätsdaten in der Bundesrepublik deutlich zu machen versucht habe, daß die vom Waffenrecht tangierten Personengruppen kriminologisch unauffällig und keine Gefahr für die innere Sicherheit sind, stellten Sie, Herr Innenminister die Frage, was uns denn an dem damals vorhandenen Entwurf so sehr störe. Man spräche immer von Grundrechtseingriffen, werde aber nicht konkret. Ich möchte die damals gestellte Frage folgendermaßen beantworten: An den Entwürfen, die seit Juli 2000 vom BMI vorgelegt worden sind und auch an den beiden Referentenentwürfen stört mich schlankweg alles. Die Entwürfe sind insgesamt betrachtet ungeeignet, den für ihre Inkraftsetzung postulierten Zielen und Zwecken zu dienen. Sie sind weder transparenter oder leichter verständlich, als das bisherige Waffenrecht, noch werden sie ein Jota an der inneren Sicherheit in unserem Lande verändern. Dieses Ziel wurde auch schon für das derzeit geltende Waffenrecht angegeben. Auch damals ist mit der Einführung des Waffengesetzes kein auch nur ansatzweise nachweisbarer Einfluß auf die Kriminalität vorhanden gewesen.

Bevor ich auf die Regelungen des jetzt vorliegenden Kabinetts-Entwurfes im einzelnen und in aller Kürze eingehe, darf ich vielleicht einmal über die Motive einiger, maßgeblich am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten spekulieren. Der Bundesinnenminister Otto Schily ist außerhalb seiner politischen Betätigung ein Berufskollege; als solcher - so unterstelle ich - ist er gewöhnt, mit Fakten umzugehen und Spekulationen eine Absage zu erteilen. Ich schätze Herrn Schily zudem als einen Menschen mit klarem Verstand und hohen analytischen Fähigkeiten ein. Zudem ist mir aus sicherer Quelle hinterbracht worden, daß der Bundesinnenminister in Gesprächen mit Vertretern des Deutschen Schützenbundes und des Forum Waffenrecht sich klar zu der Erkenntnis bekannt hat, daß der legale Waffenbesitz in Deutschland keine Bedrohung oder Gefährdung der inneren Sicherheit ist. Was also veranlaßt die Bundesregierung, gleichwohl eine Novellierung des Waffengesetzes als für die innere Sicherheit unabdingbar zu bezeichnen und auf diesem Wege immer weiter voranzuschreiten ?

Der Anschlag von New York, dieses monströse Verbrechen, dessen Spuren weit verzweigt sind und - nach allem, was man inzwischen weiß - bis nach Deutschland reichen, zeigt uns zwar, daß die Gefahren für die innere Sicherheit an Stellen zu finden sind, an denen wir sie nicht vermuten. Das Wahlergebnis der Kommunalwahlen in Hamburg vom gestrigen Sonntag zeigt uns aber, daß man mit dem Thema "innere Sicherheit" politisch Punkte sammeln kann.

Herr Innenminister, Sie wissen besser als ich, wie sehr es in der Politik und im politischen Alltagsgeschäft drauf ankommen kann, "Punkte zu sammeln". Ich sage dies ohne Hintergedanken und ohne damit Anspielungen machen zu wollen. Könnte es sein, daß auch die Waffenrechtsnovelle, die man über Jahrzehnte als "Dauerbrennern mäßiger Priorität" bezeichnen konnte, jetzt einzig und alleine dem kurzlebigen politischen Erfolg dienen soll, daß also die Interessen und Rechte der vom Gesetz betroffenen Personenkreise einfach auf dem Altar der politischen Opportunität geopfert werden sollen ?

Meine Nachforschungen auf dem Feld der Inneren Sicherheit und meine Eindrücke, die ich von den Projekten der jetzigen Regierungskoalition bisher gewinnen konnte, lassen keinen anderen Schluß zu. Dies gilt im öffentlichen Waffenrecht ebenso, wie bei der sogenannten "Reform" des Zivilprozeßrechts, eines Hätschelkindes der Bundesjustizministerin, welches diese gegen energische Proteste der deutschen Richterschaft und der Rechtsanwälte durchpeitscht. Das gilt gleichermaßen für die Veränderungen im Bereich der geringfügigen Arbeitsverhältnisse, Veränderungen, die rein ideologisch (oder koalitions-taktisch) motiviert sind und die den Betroffenen sozial keinerlei meßbaren Vorteil bringen. Ich könnte die Aufzählung beliebig fortsetzen.

Wenn Sie meine Ausführungen  jetzt noch skeptisch beurteilen, lassen Sie mich einen Satz aus dem Kabinettsentwurf vom 11.07.2001, nämlich der Begründung, Seite 109 zitieren:

" ... Zu § 8 (Bedürfnis, allgemeine Grundsätze)

.... Waffen sind demnach Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, zur Befolgung der Gesetze gegen Bürger eingesetzt zu werden ....


Dieser Satz ist eine Schande in dem Gesetzgebungsverfahren eines Staates, der sich als demokratisch bezeichnet. Nun ist mir vom sächsischen Innenministerium erklärt worden, der von mir gegeißelte Satz auf Seite 109 der Entwurfs-Begründung sei versehentlich in die Begründung hineingeraten. Dies ist allerdings nicht geeignet, mich zu beruhigen. Es ist ein Skandal, daß im Innenministerium des Bundes Mitarbeiter beschäftigt werden, die derart instinktlose und brutale Formulierungen überhaupt nur erdenken, von der Aufnahme in die Begründung eines Gesetzesentwurfes ganz zu schweigen.

Das Bundeskabinett hat auf zahlreiche Proteste schnell reagiert und die Begründung des Gesetzes um einige "heiße Passagen", zu denen auch der bereits zitierte, unsägliche Satz zählt, entfernt. Dabei hat das Bundeskabinett es sorgfältig vermieden, diese Änderungen in ähnlich marktschreierischer Weise der Öffentlichkeit kundzutun, wie die Verabschiedung des Kabinettsentwurfs wenige Wochen vorher.

An diesem Vorgang können Sie ersehen, wie heutzutage Kabinettsentwürfe entstehen: Sachbearbeiter im zuständigen Ressortministerium verfassen sie und das Kabinett verabschiedet sie - ganz offensichtlich ohne sie zu lesen in blindem Vertrauen in die Referenten.

Sachlich ist der zitiertes Satz natürlich falsch. Waffen gab es schon, bevor es Staaten im heutigen Sinne gab. Pfeil und Bogen werden in Europa seit 15.000 Jahren verwendet. Sie dienten der Jagd, der Selbstverteidigung und dem Sport und dies tun sie in allererster Linie heute noch. Unser Gemeinwesen muß nicht mit Waffengewalt vom Staat gegen Bürger durchgesetzt werden. Wer in diesen Kategorien denkt, dem fehlt eine grundlegende Erkenntnis: Unser Gemeinwesen kann solange bestehen und sich bewähren, solange es von den Menschen akzeptiert wird, solange ein grundlegender Wertekonsens besteht. Ohne diesen Konsens werden auch die "vom Staat zur Befolgung der Gesetze gegen Bürger" eingesetzte Waffen nichts mehr retten.

Ich will mich nach diesem Exkurs den Regelungen des Entwurfs zuwenden. Der Entwurf hat - wie wir wissen - eine lange Vorgeschichte. Das von der Sozialliberalen Koalition eingeführte Gesetz wird seit Ende der 70er Jahre als unzulänglich bezeichnet; dies wird mit seiner Kompliziertheit begründet. Es heißt immer, das Gesetz führe bei den Behörden zu Auslegungsschwierigkeiten, die Sicherheitsdefizite zur Folge hätten. Was man darunter verstehen darf, wird im Regelfalle nicht erläutert. Die Kolporteure dieser Phrase wissen es wohl selber nicht. Als forensisch tätiger Rechtsanwalt (auch im Waffenrecht) darf ich sagen, daß mir Auslegungsschwierigkeiten, die zu Sicherheitsdefiziten führten, nicht bekannt sind. Soweit die möglicherweise im Einzelfall mangelhafte Verwahrung von Schußwaffen betroffen ist, bedürfte es keiner Novelle, sondern einer kleinen Änderung.

Ein erster Ansatz einer Novellierung war die nordrhein-westfälische Forderung, man müsse den Schießsport auf Verbandsebene kontrollieren. Das mündete in die heutigen §§ 15 ff des Entwurfes, wonach nur staatlich beliehene Verbände Bedürfnisse für Sportschützen vorlegen können. Man kann sich über die im Entwurf vorgesehenen Anforderungen an die Verbände trefflich streiten. Im Zuge einer Gesamtregelung, die auf der anderen Seite den Sportschützen Erleichterungen bringt, wenn Ihnen denn einmal ein Bedürfnis bescheinigt worden ist, wäre die Verbandskontrolle dem Grunde nach noch akzeptabel gewesen. So schien der von der alten Koalition vorgelegte Referentenentwurf vom April 1998 hinnehmbar zu sein, denn er enthielt als Gegengewicht zur Verbandskontrolle ein Grundkontingent für Sportschützen. Doch ist das Bundesministerium des Inneren in Gestalt seines Referenten Brenneke immer weiter hiervon abgerückt:

Im Referentenentwurf vom 20.07.2000, über den wir uns unterhalten haben, war zusätzlich die gestaffelte Befristung der waffenrechtlichen Erlaubnisse auf zunächst fünf und dann zehn Jahre vorgesehen gewesen. Welchen Sinn soll eine solche Regelung haben, wo doch die Sozialdemokraten (damals mit der FDP) erst im Jahre 1975 die damals vorhandene Befristung der Waffenrechtlichen Erlaubnisse für Sportschützen auf fünf Jahre abgeschafft hatten, weil die Sportschützen zu einer besonders gesetzestreuen Personengruppe zählen, und der Mißbrauch der Legalwaffen marginal ist ?

Im Referentenentwurf vom 25.02.2001 war dann von einem Grundkontingent für Sportschützen nicht mehr die Rede. Demgegenüber wurden die Regelungen der Verbandskontrolle beibehalten. Die Befristung der waffenrechtlichen Erlaubnisse wurde zwar aus dem Entwurfstext herausgenommen, durch die Hintertür aber wieder eingeführt: Die Behörden sollen von sich aus nach Ablauf von drei Jahren und nach Ablauf von weiteren drei Jahren "das Fortbestehen des Bedürfnisses" prüfen und - folgerichtig - bei mangelndem Nachweis die Erlaubnisse des Betreffenden aufheben. Was ist unter einem Fortbestehen des Bedürfnisses zu verstehen ? Man kann jetzt schon sicher sein, daß nun erstmals in Wirklichkeit "Auslegungschwierigkeiten" Platz greifen werden, wohl oft mit Folgen, die unbescholtene Bürger belasten, von dem verwaltungsteschnischen Mehraufwand für die Behörden und die Betroffenen ganz zu schweigen. Als Rechtsanwalt könnte ich mich freuen. Sicher werde ich eine Menge zu tun bekommen. Als Sportschütze ist mir diese Freude gründlich vergällt.

Und der Kabinettsentwurf vom 11.07.2001 in seiner derzeitigen Fassung ? Man ist nun so weit, daß es auch die Erleichterungen für den Erwerb von Einzellader-Langwaffen nicht mehr geben soll. Obwohl es in der Begründung heißt, der Mißbrauch von Einzellader-Langwaffen sei "praktisch selten", wird vom Sportschützen verlangt, daß

er bei jeder Einzellader-Langwaffe ein Verbandsbedürfnis vorlegt. Zum einen ist ein Mißbrauch von Einzellader-Langwaffen nicht nur "praktisch selten" - es gibt ihn über­haupt nicht, zum anderen ist in einer Gesamtschau erkennbar, daß man die Erschwer­nisse für die Verbände, die Eingangsüberlegung der Novellierungsbestrebungen war, beibehalten hat. Anfangs vorgesehene Erleichterungen für den einzelnen Sportschüt­zen hat man hingegen aufgegeben und von Entwurf zu Entwurf zu strikteren Regula­rien gegriffen, die nach den heutigen Vorstellungen jedes Maß sprengen und schlim­mer sind, als das jetzt schon gegebene Waffenrecht ohne eine Verbandskontrolle.

Die Entwurfsbegründung selbst räumt ein, daß das Waffenrecht kein Mißtrauen gegen die Jäger und Sportschützen beinhalte. Vielmehr gehe es um den "Schutz der Allge­meinheit", womit wieder zu dem Ausgangspunkt zurückgekehrt wird, und letztlich doch diejenigen getroffen und belastet werden, die überhaupt nicht Ursache für die Gewalt in unserem Lande sind. Die Millionen Bewaffneten, die ohne Waffenbesitzkarte und ohne Waffenschein herumlaufen, bleiben so unbehelligt, wie sie es bisher schon sind.

Ich schließe mich nach diesen Ausführungen der Auffassung des Deutschen Schützen­bundes an, die im Hinblick auf die einzelnen Regelungen folgendermaßen aussieht:

--- danach folgen Ausführungen aus der Stellungnahme des DSB ----

Sehr geehrter Herr Innenminister, mir wäre lieb, wenn Sie im Bundesrat zu denjenigen zählen würden, welche die Courage haben, aufzustehen und deutlich zu machen, daß es von Seiten des Bundeskabinetts mittlerweile genug Humbug gegeben hat und daß man mit einer allmählichen Zerschlagung des Schießsports nichts für die innere Sicherheit erreicht. Dies nachzuweisen fällt leicht; nur muß mancher - wenn er die Fakten wahrnehmen und nach ihnen handeln will - ideologische Vorstellungen oder wenigstens Voreingenommenheiten überwinden und er muß in der Lage sein, dem sogenannten Zeitgeist kritisch gegenüberzustehen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Reinhard Becker, Rechtsanwalt

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