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Veröffentlichungen 5.

Artikel von Rechtsanwalt Reinhard Becker in der Zeitschrift "Visier" (Jahrgang 2007, Heft 10, Seite 120) über den Stand der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung. Anlass war das Urteil des dritten Senats des Thüringer Oberverwaltungsgerichts über die Berufung eines Waffenbesitzers (Urteil vom 22.02.2007 zu Aktenzeichen 2 K 868/05). Der Streit über die vorher rechtswidrige Handhabung der sogenannten "gelben Waffenbesitzkarte" in Thüringen ist durch dieses Urteil endgültig entschieden worden. Der Kern der Berufungsbegründung ist von Rechtsanwalt R. Becker ausgearbeitet worden.

Gelbe WBK - reloaded
(c) Becker & Becker 2007
"Visier", Ausgabe 10, Jahrgang 2007, Seite 120

Ein Oberverwaltungsgericht schafft in Thüringen endlich Klarheit: Der Waffenerwerb mittels gelber WBK hängt nicht von einer Bedürfnisbescheinigung ab.

Reinhard Becker - Rechtsanwalt

Schon in den Ausgaben 9/04 und 8/05 hatte VISIER vom Hickhack um die neue gelbe Waffenbesitzkarte (WBK) berichtet. Ein hoffnungsloser Fall, so dachten viele Leser - die rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen Sportschützen und Waffenbehördenin Thüringen und anderswo lasen sich wie eine nicht enden wollende Geschichte. Es ging um nicht weniger als .....

Die Frage: Kann der Sportschütze die neue gelbe WBK genauso verwenden, wie die alte - also die darunter fallenden Waffen einfach erwerben und abstempeln lassen? Ja, meinte der Gesetzgeber in § 14 Absatz 4 des neuen Waffengesetzes. "Nein", sagte aber das Thüringer Landesverwaltungsamt. Von hier kam die Anweisung an alle zuständigen Behörden des Bundeslandes, keine Einträge von Schußwaffen in die gelbe WBK vorzunehmen, wenn der Erwerber nicht auch eine Bedürfnisbescheinigung seines Verbandes vorlegt. Dies sollte nicht nur für alle Waffenarten gelten, die nach neuem Waffengesetz nun in die Gelbe einzutragen sind (lange Repetierer, Perkussions-Repetierer und kurze Einzellader). Die harte Gesetzesauslegung des Landesverwaltungsamtes sollte sogar sogar für lange Einzellader gelten.

So kam es, daß mancher Sportschütze mit seiner Neuerwerbung bei den Waffenbehörden in Thüringen regelrecht auflief. Ohne Bedürfnisbescheinigung des Verbandes wurde keine Waffe eingetragen. In den meisten Fällen gaben die Betroffenen nach und besorgten sich die geforderten Bescheinigungen von ihrem Schießsportverband. Der Wahrheit die Ehre: Das ist aus der Sicht des einzelnen durchaus verständlich — hat man doch mit seiner Behörde immer wieder zu tun und möchte deshalb ein entspanntes Verhältnis zum Sachbearbeiter. Weit verbreitet ist unter Sportschützen außerdem folgende Ansicht: "Es hat doch alles keinen Zweck. Im Zweifel entscheiden die Gerichte sowieso gegen uns." Es sind schon ein wenig Courage und Kampfeswille erforderlich, gegen eigenwillige Lesarten des Waffengesetzes notfalls auch mit rechtlichen Mitteln vorzugehen.

Einige Waffenbesitzer wehrten sich tatsächlich, und das war

gut so. Denn nur eine gerichtliche Klärung des § 14 Absatz 4 WaffG konnte verhindern, daß vielleicht unsinnige Regeln und Auslegungen auf Druck besonders eifriger Bundesländer in die immer noch ausstehende Verwaltungsrichtlinie zum WaffG hineingeschrieben werden. Thüringen ist schließlich nicht das einzige Bundesland, dem die in § 14 Absatz 4 WaffG vom Gesetzgeber vorgenommene Ausweitung der gelben WBK nicht schmeckt. Deshalb war es wichtig, die Weichen in die korrekte Richtung zu stellen.

Die gerichtliche Auseinandersetzung in Thüringen führte über zwei Instanzen bis hin zum Oberverwaltungsgericht in Weimar, das endlich das erlösende Machtwort für dieses Bundesland sprach. Doch der Reihe nach, zunächst ein ...

Überblick: In der ersten Instanz gab es drei Verfahren vor Verwaltungsgerichten.

Fall 1: In diesem Verfahren hatte der betroffene Sportschütze

einen Perkussionsrevolver "auf Gelb" erworben. Da er keine Bedürfnisbescheinigung vorlegte, beschied ihm die Behörde unter Fristsetzung, er müsse die Waffe wieder abgeben. Dagegen ging der Sportschütze erfolgreich beim Verwaltungsgericht Meiningen vor. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Fall 2: Hier verweigerte eine andere Waffenbehörde einem weiteren Schützen den Eintrag ebenfalls mit der Begründung, er habe keine Bedürfnisbescheinigung vorgelegt. Der Betroffene zog dagegen vor Gericht — und verlor. Das Verwaltungsgericht Weimar entschied also in einem gleichgelagerten Fall gerade andersherum als das Verwaltungsgericht Meiningen. Zwar wurde das siegreiche Urteil (Fall 1) rechtskräftig. Anderen Schützen nützte das aber wenig, weil die Thüringer Behörden stur bei ihrer Linie blieben: Bei Erwerb auf gelbe WBK ohne Bedürfnisbescheinigung hieß es "Njet - Nein." Immerhin ein Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar hatte schließlich die Behördenpraxis abgesegnet.

Nächste Runde: Der vom Verwaltungsgericht Wei­mar verdonnerte Sportschütze ging in Berufung, über die der dritte Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts zu entscheiden hatte. Gleichzeitig klagte ein dritter, von der gleichen Problematik betroffener Sportschütze. Diesmal lag die Sache beim Verwaltungsgericht Gera.

Noch während dieses dritte Klageverfahren lief, platzte - eine Woche vor der mündlichen Verhandlung in Gera - die Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (Urteil zu Aktenzeichen 3 KO 94/06) wie die sprichwörtliche Bombe. Das OVG stellte mit klaren Worten die Rechtswidrigkeit der bisherigen Verwaltungspraxis fest. Bei Erwerb einer Waffe auf gelbe WBK darf die Waffenbehörde den Eintrag die Karte nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig machen. Insbesondere darf sie keine erneute Bedürfnisbescheinigung verlangen.

Von einem Tag auf den anderen war nun alles anders. In dem letzten, noch laufenden Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Gera nahm die beklagte Behörde ihren Versagungsbescheid zurück und trug die Waffe eiligst in die WBK ein. Das Verwaltungsgericht Gera wiederum hob seinen Verhandlungstermin auf und verdonnerte die Behörde zur Übernahme der Kosten. Der Thüringer Schützenbund zog sein Formular für die Bescheinigung eines Bedürfnisses nach § 14 Absatz 4 WaffG aus dem Verkehr, weil es überflüssig geworden war.

Fazit: Außerdem wies das Landesverwaltungsamt alle Waffenbehörden an, auf gelbe WBK erworbene Waffen ohne Wenn und Aber und ohne weitere Nachweise einzutragen - weil die Behörden den Eintrag nicht von weiteren Voraussetzungen, insbesondere einer Bedürfnisbescheinigung abhängig machen dürfen. Es lohnt, sich für seine Interessen einzusetzen. Dem Freistaat Thüringen ist durch die Beharrlichkeit einiger Sportschützen und ihrer Vertreter vor Gericht die Möglichkeit genommen worden, den Sportschützen weiterhin die neue gelbe WBK vorzuenthalten.

Interessant ist noch folgendes: Das Thüringer OVG erwähnte in seiner Urteilsbegründung drei Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte, nämlich

— das Urteil des VG Würzburg vom 10. März 2005 (Aktenzeichen: W 5 K 04.1515),

— das Urteil des VG Meiningen vom 21. März 2006 (Aktenzeichen: 2 K 1003/04 Me) und

— das Urteil des VG Minden vom 12. Mai 2006 (8 K 2020/05).

Alle drei Verwaltungsgerichte hatten die Frage nach der gelben WBK zuvor schon ebenso beantwortet, wie jetzt das Thüringer Oberverwaltungsgericht. Zwar befaßt sich die Würzburger Entscheidung nur am Rande mit der Frage des Bedürfnisnachweises, aber immer noch deutlich genug, um dem VG Meiningen bei der darauffolgenden Entscheidung hilfreich zu sein. Das VG Minden konnte sich dann schon auf zwei Urteile stützen. Drei Entscheidungen lagen somit zum Zeitpunkt der Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts bereits vor.

Mit den nun insgesamt vier Entscheidungen aus drei Bundesländern, unter denen sich immerhin das Urteil eines

Oberverwaltungsgerichts befindet, wird sich nun jedes weitere Verwaltungsgericht zu befassen haben, daß die Frage nach der gelben WBK erneut beurteilt. Das Verwaltungsgericht Minden befindet sich in NRW. Vielleicht sorgen auch dort die verständigen Richter bald für den nötigen Durchblick. Für den Schießsport wäre es ein Gewinn.  

Anmerkung des Verfassers: Durch eine Novelle des § 14 Absatz 4 WaffG ist die in den beschriebenen Rechtsfällen zugrundeliegende Streitfrage letzten Endes inzwischen beseitigt - im Ergebnis so, wie die Thüringer Gerichtsverfahren geendet waren.

Reinhard Becker, Rechtsanwalt

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